In Nordschweden schicken Forscher ihre Experimente für kurze Zeit ins All. Sie wollen zum Beispiel herausfinden, ab wann Pflanzen Schwerkraft spüren.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Der elektrische Impuls jagt durch die Leitung, aktiviert den Zünder, die knapp 700 Kilogramm Brennstoff der ersten Raketenstufe fangen Feuer und treiben das rote Geschoss in den klaren Himmel über dem nordschwedischen Startplatz Esrange nahe der Eisenerzstadt Kiruna. Nach einer Minute ist auch die zweite Raketenstufe ausgebrannt und wird abgetrennt. Von jetzt an gewinnt das Transportmodul nur noch aufgrund des Schwungs an Höhe, steigt immer langsamer – und stürzt zurück zur Erde. Ohne eigenen Antrieb und jenseits der Atmosphäre herrschen im Inneren der Rakete sechs Minuten lang Schwerelosigkeit. Diese Zeit nutzen Forscher für automatische und zum Teil auch ferngesteuerte Experimente.

 

Die Anspannung in dem verbunkerten Kontrollraum ist fast mit Händen zu greifen. Mehr als ein Jahr dauerte die Vorbereitung. Biologen und Materialforscher haben vier Experimente entworfen und immer weiter verfeinert. Techniker haben die Versuchsanordnungen so miniaturisiert, dass sie in die 44 Zentimeter schmale Rakete passen. Wieder und wieder haben die Wissenschaftler in Simulationen trainiert, ihre Experimente von der Erde aus zu steuern. Auf diese sechs Minuten kommt es an. Einschließlich aller Vorarbeiten kosten sie pro Forscherteam gut eine Million Euro. Das Geld kommt vorrangig aus dem Programm für „Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit“ (Texus), welches das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt seit 1977 betreibt. Anlässlich des nun 50. Fluges hat das DLR einige Journalisten eingeladen, die Versuche live zu verfolgen.

Gut eine Minute nach dem Start kommt aus rund 100 Kilometern Höhe das Signal: Schwerelosigkeit eingetreten. Konzentriert blicken die Forscher auf ihre Bildschirme. Paul Galland von der Universität Marburg und sein Team wollen zum Beispiel untersuchen, wie Organismen auf wechselnde Schwerkraft reagieren. „Dass sich Pflanzen am Licht orientieren, ist klar“, hatte der Biologe vorab erläutert. Die Wirkung der Schwerkraft hingegen sei kaum verstanden. „Große Organismen im Wasser wie Braunalgen haben keinen Gravitropismus. Aber Landpflanzen, die es seit 480 Millionen Jahren gibt, sehr wohl.“ Bester Beleg dafür ist Holz: Es wird gebildet, damit Pflanzen nach oben, zum Licht wachsen können. „Damit eine Pflanze zwischen oben und unten unterscheiden kann, muss sie die Schwerkraft wahrnehmen“, sagt Galland.