Gab es Etat-Vorgaben des SWR?
Der Etat ist gedeckelt und geht wegen der allgemeinen linearen Absenkungen beim Sender stetig zurück. Das habe ich gewusst, damit kann ich arbeiten. Leider haben außerdem noch Sponsoren ihr Engagement beendet, weil sie ihre inhaltliche Strategie ändern. Deshalb hat die Reduzierung der Festspielzeit von fünf auf vier Wochen nicht nur etwas mit einer programmatischen Verdichtung zu tun, sondern auch mit finanziellen Zwängen.
Die Dramaturgie der Schwetzinger Festspiele war immer aufgespannt zwischen einer unbekannten alten und einer zeitgenössischen Oper. Wollen Sie das beibehalten?
Jein. Für die neue Oper habe ich für die fünf Spielzeiten meiner künstlerischen Leitung alle Aufträge schon vergeben. Diese Stücke stehen immer am Anfang der Festspiele. Das ist ein klares Statement, es soll auch deutlich machen, warum sich eine Rundfunkanstalt ein solches Festival leistet. Was sonst noch an Musiktheater möglich ist, muss man logistisch planen: Bisher wurde die zweite Oper des Festivals immer während des laufenden Konzertbetriebs produziert, dabei gab es ständig Kollisionen, auf der Bühne musste immer wieder um-, ab- und neu aufgebaut werden. So etwas kostet sehr viel Geld und Energie, und beides haben wir nicht zu verschenken. Ich finde nicht, dass man sklavisch an einer zweiten szenischen Produktion festhalten muss. Dieses Jahr machen wir die drei Monteverdi-Opern in halbszenischen Aufführungen. 2018 wird es die Ausgrabung einer Salieri-Oper aus dem Schwetzinger Hofmusikarchiv geben, da suchen wir gerade nach einer dem Werk angemessenen Aufführungsform.
Was muss man sich jetzt bei Monteverdi unter einer halbszenischen Aufführung vorstellen?
Die Opern sind szenisch eingerichtet, aber nicht aufwendig durchinszeniert. Das Orchester ist im Graben und die Sänger auf der Bühne, es gibt Requisiten, aber kein vollständiges Bühnenbild. Der musikalische Text wird dargestellt, und wir verdeutlichen durch szenische Elemente die Konstellationen zwischen den Figuren. Gerade bei Monteverdi halte ich das für sehr legitim, der „Orfeo“ etwa wurde ja im Palazzo Ducale von Mantua uraufgeführt, ohne Bühne und Maschinerie. Bei Monteverdi erzählt die Musik.
Was verstehen Sie unter Musiktheater – in Abgrenzung zur Oper?
In den letzten zehn, fünfzehn Jahren haben sich viele interessante kooperative Produktionsformen vor allem in der freien Szene herausgebildet – weil dort Dinge jenseits der hierarchischen Stadttheater-Strukturen möglich sind wie etwa eine frühzeitige Zusammenarbeit des gesamten Teams, vor allem von Komponist und Regie. Momentan arbeiten wir intensiv an der Produktion für 2019: Da verfassen die Komponistin und der Regisseur das Libretto zusammen mit Schriftstellern, im Mai 2017 werden wir schon erste Proben mit den Sängern haben. Mit dem Material, das dabei aufgenommen wird, arbeitet dann die Komponistin im SWR-Experimentalstudio Freiburg weiter. Für derartige vernetzte Arbeitsprozesse können Festivals ideale Plattformen sein. Sie sollen ja eben nicht das tun, was große Häuser viel besser können, sondern müssen etwas bieten, das anderswo keinen Raum hat.
Erstmals liegen jetzt Oper und Konzert in einer Hand. Wie schlägt sich das im Programm nieder?
Es wird keine logistischen Kollisionen mehr geben, weil ich alles zusammen plane, und es wird auch nicht vorkommen, dass ein Bereich den anderen finanziell kannibalisiert. Um das Programm inhaltlich zusammenzudenken, habe ich mir eine Art Leitmotiv für jeden Festivaljahrgang verordnet. 2017 heißt dieses, abgeleitet von Monteverdi und der Uraufführungsproduktion: „Leidenschaft“.
Ein weites Feld . . .
Das muss auch so sein, damit es über vier Wochen funktioniert und die Vielfalt der Genres abdeckt, die wir in Schwetzingen haben.
Was bringen Sie aus Ihrer Zeit am Konzerthaus Berlin mit?
Auf jeden Fall viel Erfahrung und eine gewisse Stressresistenz. Dazu kommen eine gute Kenntnis des Konzertrepertoires und ein künstlerisches Netzwerk.
Außerdem aber auch ein großes Interesse für Neue Musik, das Sie dann 2009 auch zur Salzburg Biennale brachte.
Ja, ich habe ja parallel zu meiner Arbeit als Künstlerische Direktorin des Konzerthauses mehr als zehn Jahre ein internationales Festival für zeitgenössische Musik geleitet, die Musik-Biennale Berlin. Am Konzerthaus habe ich dann auch etwa ein Festival Alter Musik angeregt, ich habe das ganze Sinfonieorchesterprogramm konzipiert und das Orchester auch gemanagt. Und ich habe dort gelernt, mit Budgets zu arbeiten und Haushaltsdisziplin walten zu lassen, Drittmittelanträge zu stellen, Kooperationspartner zu gewinnen. Das klingt ein bisschen langweilig, aber es hilft enorm dabei, Dinge möglich zu machen.

Das Gespräch führte Susanne Benda