Michael Schumacher macht Platz – auf der Piste von Interlagos und in der Formel-1-Geschichte: Damit wird Sebastian Vettel beim Großen Preis von Brasilien Sechster – und ist der jüngste Dreifachchampion der Geschichte.

Stuttgart - Michael Schumacher macht Platz – auf der Piste von Interlagos und in der Formel-1-Geschichte: Damit wird Sebastian Vettel beim Großen Preis von Brasilien Sechster – und ist der jüngste Dreifachchampion der Geschichte. Mit einem Hattrick im Red Bull, und nach einer Aufholjagd, für die das Prädikat „Drama“ eine unzulässige Verniedlichung ist. Gegenspieler Fernando Alonso wird beim Großen Preis von Brasilien zwar Zweiter hinter Jenson Button, aber am Ende steht es nach Punkten 281:278 für Vettel.

 

Der Thriller geht hinter dem Safety-Car zu Ende. „Du bist der Mann, du bist der Champion, du hast es geschafft“, brüllt der Red-Bull-Teamchef Sebastian Horner nach 110 Minuten und Vettels sechstem Platz. Von der Siegerehrung nimmt der Heppenheimer keine Notiz. Mit letzter Kraft hat er aus dem Cockpit gewunken, jetzt aber springt er durch die Boxengasse, jubelt den Fans zu – und lässt ein Erinnerungsfoto mit Schumacher, seinem Freund, machen. Dann nehmen ihn Bernie Ecclestone und Freundin Hannah in die Arme. Der Anfang einer langen Partynacht. „Das war eine Qual, ich wusste bis zum Schluss nicht, ob es reicht. Aber wenn ich bei diesem Finale nicht nervös gewesen wäre, wann dann? Es war ein absolut verrücktes Rennen. Mehr Steine hätte man uns nicht in den Weg legen können“, sagt Vettel.

Atemlosigkeit im Finale

Davor gab es ein Finale der Atemlosigkeit. Pünktlich zum Start des Formel-1-Finales setzt der Nieselregen ein. Aber das Chaos beginnt schon, als es noch halbwegs trocken ist. Die Ferrari von Felipe Massa und Fernando Alonso erwischen einen Traumstart, schieben sich auf die Plätze drei und fünf, während Sebastian Vettel, dem ein vierter Rang in jedem Fall zum Titel reichen würde, abgedrängt auf den siebten Platz zurückfällt. Mitten in die Gefahrenzone der Startphase, und da ist es auch schon passiert: Bruno Senna versetzt dem Red Bull einen heftigen Schlag, Vettels Auto wird umgedreht und steht gegen die Fahrtrichtung. „Das war nicht mein Rennen“, sagt der brasilianische Pannenmann. Glück für den Heppenheimer, dass nicht mehr passiert.

Er beginnt auf Rang 22 neu, während sein Gegenspieler Alonso wie elektrisiert an dem Vettel-Assistent Mark Webber auf den dritten Platz vorbeischießt. Zu Beginn der zweiten Runde wäre der Spanier damit Champion. Der Red Bull ist beschädigt, „wir können nichts tun“, meldet der Boxenfunk. Doch der Regen und die tückische Piste sind Vettels Verbündete in der Anfangsphase, die Action für eine halbe Saison liefert. Nach acht Runden ist Vettel schon wieder Achter. Es tröpfelt weiter, der  Reifen-Wechsel-Reigen mischt alles durcheinander. „Das Rennen ist noch lang“, hört Vettel immer aus dem Funk, wenn schwierige Gegner vor ihm liegen.

Doch nach 20 Umläufen sind die großen Duellanten beisammen: Nico Hülkenberg überholt Jenson Button und führt, Alonso und Vettel formieren sich auf den Rängen vier und fünf. Nach 23 Runden wird aus dem packenden Finale vorübergehend eine Prozession: Das Safety- Car rückt aus, weil Trümmerteile von Nico Rosbergs Silberpfeil in zwei Kurven liegen.

Taktieren auf engstem Raum

Neustart mit den ersten fünf innerhalb von dreieinhalb Sekunden in Runde 30, Taktieren auf engstem Raum. Die Ideallinie ist rutschig, als Kamui Kobayashi an Vettel vorbeischießt, Alonso bleibt Vierter – muss aber Dritter werden. Für alle Fahrer mit Ambitionen geht es darum, einfach nur im Rennen zu bleiben. Aber der Spanier fährt wie der auf seinem Rücken eintätowierte Samurai, schnappt sich den Japaner wieder. Vettel ist Siebter hinter Massa. Um wie viel spannender geht es noch?

Der Himmel sieht ungut aus. Vettel will nicht auf Halten fahren. Die Wolken hängen aber wieder tiefer. Vettel kommt in der Runde 53 als erster Spitzenfahrer, um Allwetterreifen aufzuziehen. Was macht Ferrari? Jetzt geht es um Mut und Taktik.

Ein Crash kann die WM entscheiden: In der 55. Runden kollidieren Hamilton und Hülkenberg, weil der Deutsche einen dummen Fahrfehler macht und den Briten ins Aus drückt. Er bleibt aber im Rennen, liegt noch vor Alonso. Aber das würde dem Spanier reichen, denn Vettel holt zum vierten Mal Pneus, diesmal reine Regenreifen. Er rutscht auf Rang zehn zurück.

Aber bei diesen Bedingungen ist alles möglich, auch Alonso fährt auf Nummer sicher, reiht sich als Vierter wieder ein. Doch vor ihm liegt a) Kollege Massa und b) kassiert Hülkenberg eine Durchfahrtstrafe. 13 Runden vor Schluss heißt die Reihenfolge Button – Massa – Alonso, Vettel ist Siebter. Noch reicht es für ihn, bis Massa in Runde 62 wie erwartet Platz macht. 279:278 steht es nur noch für Vettel. Das Zittern geht weiter. Aber Schumacher lässt ihn sieben Umläufe vor Schluss vorbei. Platz sechs, das reicht. Was für eine Geste! Es ist die Stabübergabe in der Champions League.