Nach ARD und ProSieben erprobt auch das ZDF eine Sendung, die durch eine Smartphone-App ergänzt wird. Der niederländische Film „App“ reizt allerdings die Möglichkeiten des Second Screen nicht aus.

Stuttgart - Glotze an und sich berieseln lassen: das ist vielen Fernsehzuschauern zu wenig. Für sie gehören mittlerweile neben Chips und Getränken auch Smartphones und Tablet-PCs zu einem gemütlichen TV-Abend. Second Screen nennt sich das, wenn das Publikum nicht nur passiv in den Fernseher starrt, sondern nebenher mit einem mobilen Endgerät googelt, chattet oder in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook unterwegs ist. Laut Umfragen nutzen knapp fünfzig Prozent der Zuschauer während des TV-Konsums einen Second Screen, die meisten davon ohne Bezug zum aktuellen Programm.

 

Dieser Ablenkung ihrer Zuschauer durch das Internet versuchen Rundfunkanstalten neuerdings dadurch zu begegnen, dass sie Sendungen und Apps, also Anwendungen auf Smartphones und Tablets, miteinander verbinden. Jüngstes Beispiel: das ZDF zeigte als Free-TV-Premiere in seiner Montagskino-Reihe den niederländischen Horrorfilm „App“ – den ersten Kinofilm, der eine Second-Screen-Technologie nutzt. Dazu mussten sich die Zuschauer die dazugehörige App im Vorfeld runterladen.

Im Film des Regisseurs Bobby Boermans dreht sich alles um eine mysteriöse App namens „Iris“. Die Studentin Anna Rijnders (Hannah Hoekstra) findet dieses Programm nach einer durchzechten Nacht auf ihrem Smartphone. „Iris“ (rückwärts ergibt sich übrigens der Name von Apples iPhone-Spracherkennungssoftware) beantwortet Fragen und erweist sich zunächst als ganz nützlich. Doch die Smartphone-Anwendung drängt sich immer mehr in Annas Leben, überwacht sie auf Schritt und Tritt und verbreitet sich wie ein Virus. Schon bald gibt es den ersten Toten in Annas Freundeskreis, und es scheint, dass „Iris“ damit zu tun hat.

Die App funktioniert, aber es fehlt Interaktion

Die Nutzer der App zum Film bekamen zu den passenden Szenen weiteres Material auf ihrem Second Screen angezeigt – vor allem Filmsequenzen aus anderen Perspektiven, wackelige Handyvideos und Chatdialoge zwischen den Hauptpersonen. Besonderer Mehrwert ergab sich dadurch allerdings nicht. Auch wenn die App-Beiträge wohldosiert waren und im einen oder anderen Fall dem Zuschauer einen Wissensvorsprung gaben – die von den Filmemachern gewollte Ablenkung war eher störend und konnte die dünne Story nicht retten.

Vom ZDF als „Fernsehexperiment“ angekündigt, blieb die Kombination aus Film und App eben genau das: ein Versuch. Zwar funktionierte die App technisch ohne größere Probleme; abgesehen davon, dass man den Fernsehton sehr laut stellen musste, damit die App die aktuelle Filmstelle erkannte. Doch bei dem niederländischen TV-App-Projekt wurde ein wesentliches Element nicht berücksichtigt: die Interaktion zwischen den Nutzern, die für viele den Reiz des Second Screen ausmacht. Das wurde im Kurznachrichtendienst Twitter während des Films auch von einigen Zuschauern kritisiert.

Der soziale Austausch zwischen Fernsehzuschauern funktioniert bei einigen Sendungen schon seit längerem ziemlich erfolgreich – auch ohne eigene App. Während des „Tatorts“ wird beispielsweise auf Twitter kommentiert und gewitzelt, ebenso beim „Dschungelcamp“ oder bei „Germanys Next Topmodel“. Was sich da auf dem zweiten Bildschirm abspielt, ist oft unterhaltsamer als die Sendung selbst. Mit dieser Art von Second Screen bekommt das Fernsehen ein Stück seiner Rolle als modernes Lagerfeuer zurück.

„Quizduell“-App läuft erst nach sieben Sendungen

Doch nicht nur das ZDF experimentiert mit einer App. Die ARD wollte mit dem „Quizduell“ vorlegen und die Zuschauer per Smartphone-Anwendung gegen die Kandidaten im Studio rätseln lassen – und ist zunächst an der Technik gescheitert. Erst nach sieben Sendungen funktionierte das Zusammenspiel zwischen TV-Übertragung und App-Nutzung. Die Zahlen im Netz können sich nun zwar sehen lassen – bei der Sendung am Freitag gingen nach Angaben des Norddeutschen Rundfunks 2,6 Millionen Antworten von App-Nutzern ein; die Einschaltquote ist allerdings seit dem Sendestart am 12. Mai rückläufig.

Auch der Privatsender ProSieben versucht sich bei der am vergangenen Donnerstag gestarteten dreiteiligen Musikshow „Keep your light shining“ an der Beteiligung der Zuschauer. Per App können sie entscheiden, welches der neun Gesangstalente in die nächste Runde einzieht und schließlich 50 000 Euro gewinnt. Die Technik funktioniert zwar, aber es hagelte während der ersten Sendung auf Twitter Beschwerden, dass man die App nur über eine Anmeldung mit seinem Facebook-Konto nutzen kann. Auch das ist eben Second Screen.