Die prorussischen Separatisten setzen sich in der strategisch wichtigen Stadt Debalzewo durch. Kiew fordert, Waffen zu liefern. Außerdem will die Ukraine wohl das Kriegsrecht verhängen.

Kiew - Was sich seit Tagen angedeutet hat, ist am Dienstag eingetreten: Die von der ukrainischen Armee kontrollierte Stadt Debalzewo ist gefallen. Das Verteidigungsministerium sprach von einer weitgehenden Einnahme durch die Rebellen. Es deutet vieles darauf hin, dass 5000 bis 8000 Soldaten der ukrainischen Armee gefangen sind.

 

Mit der Übernahme der Stadt durch die prorussischen Separatisten droht nicht nur die Friedensvereinbarung von Minsk II zu scheitern, in der Ukraine würden auch die Forderungen nach Waffenlieferungen durch die USA wieder lauter. Zudem hat Präsident Petro Poroschenko damit gedroht, ein landesweites Kriegsrecht zu verhängen. Am Montagabend sagte Poroschenkos Politikberater, Oleg Medwedew, im Fernsehen: „Einen Tag, bevor es zur Einigung in Minsk kam, hat der Präsident klargemacht, dass es beim erneuten Bruch einer Waffenruhe zur Ausrufung eines landesweiten Kriegsrechts kommt. Wir sind auf ein solches Szenario vorbereitet.“

Kiew hat seine Wünsche nach Waffen schon formuliert

Das Präsidialamt in Kiew übergab der US-Botschaft bereits eine Liste mit US-Waffen, die im Falle einer Lieferung als Erstes in die Ukraine gebracht werden sollten. Dabei handelt es sich nach Angaben der Tageszeitung „Segodna“ um Ausrüstung im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar, die erste Lieferung würde Militärausrüstung in Höhe von 350 Millionen US-Dollar beinhalten.

Nachdem am Sonntag die Waffen in der Ostukraine weitgehend geschwiegen hatten, waren die Kämpfe am Montag erneut aufgeflammt – vor allem in der strategisch wichtigen Stadt Debalzewo in der Region Donezk. Dort befindet sich ein Eisenbahnknotenpunkt, über den praktisch der gesamte Zivil- und Warenverkehr per Schiene zwischen der Nordost- und der Südukraine verläuft. Auch wichtige Verbindungen nach Russland, hoch bis nach Moskau, führen hier vorbei. Zudem verlaufen dort zwei Fernstraßen in den Westen beziehungsweise in den Norden.

Dramatische Augenzeugenberichte auf Facebook

Wie dramatisch die Lage vor Ort gewesen sein muss, machen Augenzeugenberichte auf Facebook klar. Die Journalistin Olga Germanowa schreibt: „Die Soldaten des Freiwilligen-Bataillons Kiewer Rus bitten um Hilfe. Ohne Verstärkung werden sie alle sterben.“ Ähnliches berichtet der Kommandant des Bataillons Kiewbass, Juri Sinkowski: „Wir können keine Stunden mehr warten, weder auf Nachschub noch auf die Beobachter der OSZE. Meine Männer sind am Ende.“

Wie den Männern von Kiewbass soll es vielen Einheiten gehen, die seit Wochen im Kessel von Debalzewo stehen. Es soll keinen Nachschub an Verpflegung und Material geben, die Soldaten werden nicht ausgetauscht. Das alles sind Parallelen zum Sommer 2014, als die Stadt Illowaisk auf ähnliche Weise den Russen in die Hände fiel. Auch damals klagten die Militärs, Kiew schicke keinen Nachschub. Fast 1000 Soldaten kamen bei der Aktion ums Leben. Auch die Rolle der OSZE gleicht der aus dem Sommer. Bis Dienstag schafften es die Beobachter nicht, nach Debalzewo zu gelangen. „Der OSZE wird der Zugang zur Stadt verweigert“, beklagt der Sprecher des Sicherheitsrates der Ukraine, Andrej Lysenko, die aktuelle Lage.

Auch andernorts wird gekämpft

Auch an anderen Orten kam es zu Kämpfen. In der Region um Swetlodarsk, etwa 25 Kilometer von Debalzewo entfernt, wurde eine Gaspipeline beschossen. Aufgrund der Schäden sind nun 30 Städte komplett von der Versorgung abgeschnitten. Auch eine Gruppe internationaler Journalisten, die am Montag den komplett zerstörten Großflughafen in Donezk besuchte, geriet unter Beschuss.