Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Der Haka ist martialisch, voller Energie und Kraft, er wirkt wie ein legales Aufputschmittel für die All Blacks. Er ist auf gewisse Art eine Orgie der Gewalt und in seiner Wucht doch faszinierend schön. Der Haka ist Testosteron aus den Stimmbändern und ein wichtiger Teil des Mythos um die All Blacks. Es heißt, manche Gegner verlieren im Angesicht dieses martialischen Tanzes hier schon das Spiel. Frankreich nicht. Frankreich gewinnt.

 

Die Superstars um Neuseelands Sportikone Richie McCaw, der haushohe Favorit, die großen All Blacks – der schwarze Block zerfällt an diesem Abend. Es ist eine Sensation. Dieses Team galt als unschlagbar, als die größte Ansammlung von Talent, die das Rugby gesehen hatte. Kapitän Richie McCaw weint auf der Pressekonferenz. Die Niederlage wird zu einem nationalen Trauma. McCaw wird später einmal über diesen fabelhaften Jahrgang 2007, der seine Fans so enttäuschte, sagen: „Unsere Mannschaft von 2007 war wohl die talentierteste Auswahl, in der ich je war – aber die Ergebnisse haben unser Potenzial nicht gezeigt.“ Aber die schwarze Macht schlägt zurück. Die All Blacks stehen auf. Und sie kommen zurück. Stärker als je zuvor.

Sie halten dem unmenschlichen Druck stand und werden Weltmeister 2011 bei der Heim-WM in Neuseeland. Es gibt wohl kein Land, in dem eine Nation und eine Mannschaft so eng verbunden sind wie Neuseeland und die All Blacks. Es ist mehr noch als die Beziehung Brasiliens zu seiner Seleção. Die Kolosse in ihren pechschwarzen Trikots sind nicht nur das Aushängeschild des 4,5-Millionen-Einwohner-Landes, sie sind integraler Bestandteil der Leitkultur des Inselstaates im Pazifik. Graham Henry, von 2003 bis 2011 Trainer der All Blacks, sagt: „Rugby hat Neuseeland auf die Weltkarte gebracht.“

Mit aller Kraft haben sie auf den WM-Triumph 2011 hingearbeitet, es war ein Sieg über die Dämonen von 2007 und gegen die Angst, erneut die Erwartungen nicht zu erfüllen und die Fans zu enttäuschen.