Meinrad Huber, der unter anderem die Tanzkompanie von Eric Gauthier managt, ist viel auf Achse.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Ludwigsburg - Ludwigsburg - Bei Cappuccino und Honigbrötchen plaudert es sich locker und gemütlich. In unserer Serie „Frühstück mit . . .“ bitten wir in loser Folge Zeitgenossen aus dem Stuttgarter Kulturleben in einem Café ihrer Wahl zum Gespräch über Themen und Projekte, die sie gerade beschäftigen. Und natürlich über ihre Frühstücksgewohnheiten: Tee oder Kaffee, Müsli oder Croissant? Espresso. Der muss sein zum Frühstück, ansonsten, sagt Meinrad Huber, habe er keine ausgeprägten Gewohnheiten. Wenn keine Schulferien sind, sitzt er morgens um sieben mit Sohn und Tochter, 14 und 13, und seiner Lebensgefährtin Claudia Bauer am Tisch, dann gibt es Müsli dazu, am Wochenende auch mal frische Brötchen. Ein Birchermüsli, falls das Büffet eines hergibt, ist im Hotel die Frühstückskomponente seiner Wahl. Und im Hotel frühstückt der Ludwigsburger, der mit seiner Partnerin die Tanzagentur Ecotopia Dance Productions betreibt, ziemlich oft. Er hat mal gezählt und ist auf hundert Nächte im Jahr gekommen, in letzter Zeit sei es etwas weniger geworden.

 

Weder Birchermüsli noch Marmeladenbrötchen hat der 58-Jährige an diesem Augustvormittag im Ludwigsburger Bubbles Café vor sich, sondern ein kleines Stück Käsekuchen, mit Amarettini und Limette verfeinert. Nach Kuchen verlangt es ihn eher selten, „wenn, dann muss es was Frisches sein“. Das Bubbles ist zweite Wahl, aber eine sehr nette: Mamas mit Babys an den Tischen draußen, drinnen ein zitronengelber Retromöbel-Mix. Die erste Wahl war das Emporio George in der Wilhelmstraße, doch das hat zu: Betriebsferien. Naheliegend im Ferienmonat August, aber nicht für einen wie Meinrad Huber. Ruhemodus? Die Taste dafür kennt er nicht. Seine Firma managt Tanzkompanien, die Stuttgarter Theaterhaus-Company Gauthier Dance, das renommierte Nederlands Dans Theater, die Berliner Choreografin Helena Waldmann, eine Reihe erstklassiger südamerikanischer Truppen wie Balé da Cidade de São Paulo oder die Compagnia Aterballetto, Danza Contemporánea de Cuba. Er organisiert für sie die Tourneen, die Gastspiele, treibt Koproduktionspartner auf, sichtet die Produktionen der zeitgenössischen Tanzszene – weltweit. Festivals, Premieren, Projekte: er muss hin, er muss es sehen, alles.

Gut vier Wochen ist es her, dass das „Colours“-Tanzfestival im Theaterhaus zu Ende ging. „Extrem gut“, bilanziert Huber, der als Künstlerischer Leiter das internationale Tanzprogramm mitverantwortet hat. Das Konzept, die vielen Farben des zeitgenössischen Tanzes zu zeigen, habe funktioniert, sagt er, „das hat sich Eric Gauthier schon sehr gut überlegt“. Das Publikum war begeistert, die Künstler glücklich, sich austauschen zu können, „Colours“ präsent in der ganzen Stadt – mit dem Festival ist die zweite Tanzsäule in der Stadt, neben dem Stuttgarter Ballett, noch tragfähiger geworden.

Es sei gelungen, sich von anderen deutschen Tanzfestivals programmatisch abzuheben, freut sich Huber. „Bei manchen hat man das Gefühl, die lassen die Menschen außen vor.“ Nein, Spezialisten-Happenings, die nur die Insider ansprechen, Produktionen, „für die man ein Buch gelesen haben muss, um sie zu verstehen“, davon hält er nicht viel. Und die überregionale Presse habe aufgehorcht, was beim Tanz in Stuttgart passiert, und sei sich einig gewesen: „In Stuttgart ist etwas Gutes entstanden.“

Seit dreißig Jahren ist Huber als Kulturmanager unterwegs, unter anderem hat er für das Ludwigsburger Scala Theater, für die Schlossfestspiele im Bereich Tanz, Theater und Weltmusik Programm gemacht; er weiß, wie man Anspruch und Avantgarde einbindet, ohne das Publikum auszubooten, diese Erfahrung kam ihm bei dem Tanzfest auf dem Pragsattel zugute. Aber „Colours 2015“ – das war gestern, jetzt will der Herbst vorbereitet sein, wenn etwa die Choreografin Helena Waldmann auf Tournee geht – und mit ihrer hochgehandelten Produktion „Made in Bangladesh“, in der sie mit zwölf Kathak-Tänzerinnen aus Bangladesch die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in Tanz umsetzt, auch in Ludwigsburg Station machen wird.

Kürzlich war er in Isny, wo er herkommt, beim Theaterfestival, das er mitgegründet und von 1987 bis 2001 geleitet hat. Er guckt immer noch jedes Jahr vorbei, aus alter Verbundenheit, und tankt zwischendrin mit ein paar ausgedehnten Allgäu-Radtouren auf. Viel Radfahren, viel Laufen – zehn Kilometer regelmäßig vor dem Frühstück, das ist der Ausgleich zur Kultur-und-Kopfarbeit.

Die Laufschuhe sind deshalb immer im Gepäck, egal, wo er hinfährt. Morgens vor dem Frühstück joggt er los, das ist seine Art des Sightseeings, „da kriegt man ein ganz anderes Verhältnis zu einer Stadt“. Bald fährt er nach Berlin, zum Festival „Tanz im August“, dann kurz nach Mallorca auf die Finca der Schwiegereltern, „zum Mandelernten mit der Familie“, und irgendwo passt noch eine Familienurlaubswoche auf einer Almhütte bei Kitzbühel rein, dann, sagt Huber, sind die Sommerferien um, und das normale Geschäft geht wieder los.

Huber plant jetzt schon für 2016, für 2017, für das nächste „Colours“ – auch wenn die Finanzierung noch nicht gesichert sei. Natürlich habe er Ideen, „wir führen für Koproduktionen schon Gespräche‘“, erzählt er und kramt zwei Kupfermünzen aus der Geldbörse. „Wenn man die aneinander reibt, soll das die Wespen vertreiben“. Bei seiner Tochter habe das funktioniert, bei ihm im Bubbles funktioniert es nicht so gut, aber das Problem erledigt sich von allein: Kaum ist der Käsekuchen weggeputzt, suchen die Plagegeister das Weite.