Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

„Südseite des Everest ist heute sauberer als mancher Schulhof“

Herr Thelen, der Mount Everest hat in Öko-Kreisen einen schlechten Ruf. Der 8848 Meter hohe Berg gilt als höchste Müllkippe der Welt. Wie vermüllt ist der Berg denn wirklich?
Er ist überhaupt nicht vermüllt. Ich bin fünf Mal im Basislager auf der Südseite des Everest gewesen. 2012 war ich Mitglied der Eco Everest Expedition, die seit 2008 jährlich unter anderem mit dem Ziel unternommen wird, gleichzeitig mit der Besteigung, Müll- und Bergsteigerausrüstung auf dem Everest zu beseitigen.
Standen Sie schon auf dem Gipfel?
Ich selber nicht. 2012 wollte ich im Rahmen der Eco Everest Expedition mit meinem Freund, dem Arzt Eberhard Schaaf, den Mount Everest besteigen. Er war in der ersten Gruppe, die den Gipfel erreichte. Beim Abstieg am Hillary Step auf 8750 Meter starb er innerhalb kurzer Zeit, wahrscheinlich an einem Höhen-Hirn-Ödem. Ich war zu dieser Zeit im Camp 4 auf 8000 Meter und wollte zum Gipfel aufbrechen. Als ich von seinem Tod erfuhr, habe ich sofort entschieden abzusteigen.

„Man muss den Müll mit Eispickeln herausschlagen“

Was macht das Müllsammeln am Everest so schwierig?
Ich kenne alle Lager auf der Südseite, seit ich dort insgesamt mehrere einige Wochen zugebracht habe. Alle Lager, mit Ausnahme von Lager 2, sind komplett sauber. Dort ist es komplizierter, weil der alte Müll durch die Bewegung des Gletschers ins Eis gezogen und durch Lawinenabgänge bedeckt wird.
Um was für Müll handelt es sich?
Der meiste Müll stammt aus den 1970er und 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts. Es handelt sich um alte Zelte, Bergsteigerausrüstung, Dosen, Sauerstoffflaschen. Man muss sie mit dem Eispickel aus dem Eis herausschlagen. Eine sehr mühsame Arbeit.
Wie sieht es in den Camps auf der Südroute aus?
Das Basecamp auf 5300 Meter wird heute peinlich sauber gehalten. Camp 1 liegt oberhalb des Khumbu-Eisbruchs auf 6100 Meter. Das ist eine schneeweiße Eisfläche – kein Müll dort. Camp 3 liegt auf 7100 Meter auf einer Schräge an der Lhotse-Flanke mit 50, 60 Prozent Steigung. Da kann nichts liegen bleiben. Komplett sauber. Das Camp 4 auf 8000 Meter war früher eine Müllhalde. Seit Jahren ist es schon freigeräumt worden von Sauerstoffflaschen und Zeltresten.
Ihr Fazit . . .
. . . Mit Ausnahme von Camp 2 ist der Everest auf der Südseite heute sauberer als mancher deutsche Schulhof.

„Die Toilettenabfälle sind ein Problem“

Wohin bringt man den eingesammelten Müll?
2008 begannen zwei Expeditionen damit, gezielt alten Müll vom Everest herunterzuholen. Die Sherpas bekamen für jedes Kilo Müll eine bestimmte Geldsumme. Seitdem wurde alter Müll heruntergebracht und in verwertbare und nicht verwertbare Anteile getrennt. Sauerstoffflaschen beispielsweise können wiederverwertet werden. Nicht verwertbarer Müll wird verbrannt oder wie organische Stoffe etwa Exkremente kompostiert.
Wie läuft die Müllvermeidung heute ab?
Schon zu Beginn der Saison Anfang April ist das Basislager komplett sauber. Während der Saison bis Ende Mai hat jeder Bergsteiger für den persönlichen Abfall wie Essensverpackungen eine Plastiktüte. Abends schüttet man den persönlich gesammelten Abfall in einen großen Müllsack am Gemeinschaftszelt.
Was geschieht mit den WC-Abfällen und Exkrementen?
Die Toilettenabfälle sind ein Problem. Es gibt bei jeder einzelnen Expedition mehrere Toilettenzelte im Basislager, die über großen Tonnen aufgestellt sind. Die gefrorenen WC-Abfälle in den Fässern werden heruntertransportiert und kompostiert. In den oberen Camps 1 bis 4 benutzt jeder Bergsteiger und Sherpa einen sogenannten Restop Plastic Bag, auch Shit-Bag genannt, in den jeder sein Geschäft macht. Die vollen Beutel mit gefrorenem Inhalt nimmt man mit ins Basislager und gibt sie dort zum Abtransport zur Kompostierstelle ab.