Ursula Tronich hört nach 40 Jahren in der Hemminger Spielstube auf. Langweilig werden wird es der Gemeinderätin aber nicht – viele andere Aufgaben hat sie schließlich weiter inne.

Hemmingen - Es ist vergleichsweise ruhig im ersten Stock des Hemminger Bürgertreffs. Konzentriert haben die vier Kinder, die die Spielstube besuchen, gespielt. Nun warten sie geduldig, dass der Fotograf fertig wird und sie ihr Vesper auspacken können. Doch die Frau, deretwegen er da ist, und die er in verschiedenen Positionen auf den Gelben Stuhl setzt („Was, mit dem Rücken zu den Kindern? Das machen wir sonst nie!“), ist alles andere als leise. Denn Ursula Tronich sagt über sich selbst: „Ich hab meinen Mund noch nie halten können.“

 

Genau deshalb war sie vor 40 Jahren auch zur Spielstube gekommen. Der damalige Bürgermeister habe eine Gruppe des Kindergartens Hirschstraße für zwei Wochen schließen wollen, weil eine Erzieherin krank war. Ursula Tronich, die ihren älteren Sohn dort betreuen ließ, beschwerte sich – obwohl sie nicht berufstätig war. „Aber ich habe mich für die anderen beschwert, die darauf angewiesen waren.“ Schon zu ihren Berufszeiten hätte ein Kollege der gelernten Chemotechnikerin gesagt, dass sie „immer die Kohlen für andere aus dem Feuer hole“. Das tat sie auch in Hemmingen: Als der Schultes sie fragte, ob sie nicht in den zwei Wochen einspringen wolle, sagte sie zu. Durch die Jugendarbeit in der Kirche habe sie schließlich Erfahrung mit größeren Kindergruppen gehabt.

Bald sollte es mehr werden. Denn eine der Gründerinnen der Hemminger Spielstube, Marlies Hickmann, wurde auf die junge Mutter aufmerksam und fragte sie, ob sie künftig nicht auch in der Spielstube helfen wolle. Die Einrichtung ist eine private Initiative, die 1974 gegründet wurde, weil es zu wenige Betreuungsplätze gab. Mehr als 20 Jungen und Mädchen besuchten die Gruppe, die jeweils an drei Vormittagen angeboten wurde. Es wurde gespielt, vorgelesen, getobt und zwischendrin auch mal ausgeruht. „Es gab damals schon einen straffen Zeitplan“, erinnert sich Tronich. Viel geändert habe sich in nun 41 Jahren Spielstube nicht, sieht man vom Wegzug aus dem Gymnastiksaal des Kindergartens Hauptstraße hin zum Bürgertreff vor fast zwei Jahren ab. Auch beim Bewegungsdrang oder den Turnfähigkeiten habe sich wenig geändert, so Tronich.

Doch nach den Sommerferien werde es einen großen Umbruch geben. Nicht nur, weil viele der derzeit rund zehn Kinder dann mit drei Jahren alt genug für den Kindergarten sind. Sondern auch, weil Ursula Tronich nach 40 Jahren Ende Juli aufhört. „Irgendwann ist genug“, sagt die 68-Jährige. „Es ist Zeit, die Arbeit in jüngere Hände zu legen.“ Diese Aussage bringt ihr den Widerspruch der beiden Frauen ein, die an diesem Tag bei der Betreuung helfen.

Langweilig wird ihr aber nicht, auch wenn sie sagt, dass ihr das Strahlen der Kinder als Zeichen des Erfolgs der Einrichtung fehlen werde. Denn seit mehr als 25 Jahren sitzt sie für die Freien Wähler im Gemeinderat. Die zweite Spielstuben-Gründerin und selbst erste Gemeinderätin im Ort, Lotte Schrank, habe sie vor rund 40 Jahren für ein kommunalpolitisches Engagement angesprochen. „Wen die einmal in den Fingern hatte...“, sagt Tronich und lacht.

Und wie Lotte Schrank engagierte sie sich auch in der Nachbarschaftshilfe, brachte einen Jungen morgens in den Kindergarten, holte ihn wieder ab und kochte für ihn und den eigenen Sohn. Nach der Geburt ihres zweiten Sohnes organisierte sie für Hemmingen die Familienpfleger, eine Aufgabe, die heute die Ökumenische Sozialstation Schwieberdingen innehat. 15 Jahre lang war Tronich zudem Elternbeiratsvorsitzende an der Grund- und Werkrealschule – dafür, aber auch für viele andere ehrenamtliche Tätigkeiten wurde sie mit der Landesehrennadel ausgezeichnet.

Kultur war der gebürtigen Münchnerin, die zwar schon als Kind in den Ballungsraum Stuttgart kam, aber der man bis heute die Herkunft anhört, ebenso wichtig. Sie ist eine der heute noch aktiven Gründerinnen der Kulturgruppe DistelArt, jahrelang spielte sie auch selbst Theater. Bei den Landfrauen initiierte sie ein regelmäßiges Stricktreffen. Zudem bietet sie, nachdem sie bei einem vom Bund geförderten Programm mitgemacht hat, Tablet-Kurse für Seniorinnen an. „Gekonnt flitzen Ihre Finger über den Tablet-PC“, hatte der Bürgermeister dieses Engagement gewürdigt.

Dank gab es vom Schultes Thomas Schäfer bei der Ehrung für die Gemeinderatstätigkeit aber auch für ihren Einsatz bei einer Telefonkonferenz mit einer italienischen Kommune, mit der Hemmingen an einem EU-Projekt zum Bau von Strohhäusern beteiligt war. Gelernt hatte sie die Sprache von 1977 an, weil sie wissen wollte, was die Kellner am Urlaubsort über sie redeten. Sie besuchte einen Vhs-Kurs, traf sich aber auch mit einer Italienerin und anderen Hemmingern regelmäßig zu einem Sprachcafé. „Das war für alle eine Win-Win-Situation, würde man das heute sagen.“ Die Italienerin bekam Kontakte – und Ursula Tronich verstand endlich, was die Kellner sprachen. „Und als einer was blödes sagte, habe ich ihm kräftig rausgegeben.“ Denn ihren Mund habe sie auch da nicht halten können.