Drei rückfallgefährdete Sexualstraftäter leben in Stuttgart - ihre Betreuung könnte intensiver sein.

Stuttgart - Geht es nach dem Europäischen Gerichtshof, dann müssen 16 Sexualstraftäter aus Gefängnissen in Baden-Württemberg entlassen werden. Zusätzlich zu ihnen gibt es etwa 40 Sexualstraftäter in Freiheit, gegen die zwar keine Sicherungsverwahrung verhängt wurde, die aber als stark rückfallgefährdet gelten. Sie werden seit dem 1. April im "Kurs"-Programm betreut - die Abkürzung steht für "Konzept zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern".

Das Programm orientiert sich an einem bayerischen Modell, und auch in anderen Bundesländern sind ähnliche Konzepte initiiert worden, nachdem aus der Haft entlassene Sexualtäter erneut Kinder missbraucht hatten. Das Problem: Kurs muss fast ohne zusätzliches Personal auskommen, nur 23 Polizeistellen, die wegfallen sollten, sind um drei Jahre verlängert worden. Die Polizei vor Ort soll die Sexualstraftäter ansprechen und notfalls überwachen - eine zeitintensive Angelegenheit.

In Österreich gelten andere Standards


Auch die Bewährungshilfe, die sich um die Wiedereingliederung der Täter in die Gesellschaft kümmern soll, bekommt keine zusätzlichen Mittel. Bisher betreut die Bewährungshilfe in Stuttgart drei Risikoentlassene. Georg Zwinger, der Leiter des Vereins Neustart, der im Auftrag des Landes die Bewährungshilfe durchführt, sieht dies kritisch: "Die intensive Betreuung der Kursprobanden geht zu Lasten der anderen Klienten."

Trotzdem ist der "intensive" Kontakt im Kurs-Programm nicht gerade eng: Im Durchschnitt habe ein rückfallgefährdeter Sexualstraftäter alle 14 Tage Kontakt mit seinem Bewährungshelfer - während der ersten, wichtigen Phase nach der Haftentlassung, später seltener. Zwinger sieht darin dennoch eine Verbesserung: "Vorher gab es nur alle ein bis zwei Monate einen Kontakt." Allerdings seien auch Gespräche alle 14 Tage relativ wenig, "in Österreich haben wir andere Standards", so Zwinger - der Verein Neustart managt dort seit Jahren die Bewährungshilfe.

Viele verweigern sich einer Therapie


Bei Neustart haben einige Mitarbeiter Fortbildungen zum Umgang mit Sexualstraftätern absolviert. Sie machen den Kurs-Probanden klar, dass sie nun unter Führungsaufsicht stehen, dass sie, um eine erneute Haft zu vermeiden, ihre Auflagen einhalten müssen und am besten eine Therapie beginnen sollten - doch der würden sich viele verweigern. "Einige müssen sich jede Woche bei einem Therapeuten melden", sagt Michael Massong, seit gut 20 Jahren Bewährungshelfer. Für die Bewährungshelfer ist es eine Gratwanderung zwischen Kontrolle und Vertrauen: "Im Zweifelsfall informieren wir natürlich die Polizei", sagt Peter Hörter von Neustart. Andererseits müssten die Bewährungshelfer natürlich eine Gesprächsbasis zu den Probanden aufbauen, um Veränderungen zu erfassen - beispielsweise dass sie bei einem Vergewaltiger registrieren, wie er über Frauen spricht. "Viele sind beziehungsunfähig, haben aber Sehnsucht nach einer Beziehung", sagt sein Kollege Massong.