Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin, verkörpert die Verniedlichung der Bundeswehr – meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Bilder, die wir nicht vergessen: Ursula von der Leyen, die derzeit schärfste Waffe der Bundeswehr, wie sie sich unweit eines Riesen-Transporters aufbaut, der Hilfsgüter in den Nordirak fliegen soll. Doch ausgerechnet in diesem heiligen Moment taucht schattengleich ein Ungebetener auf, schiebt sich aus Versehen zwischen ihre dekorative Person und die Kameras. So schnell kann man kaum hinschauen, wie die mächtige Frau ihn mit einer verächtlichen Geste wegschubst. Hallo, liebes Fotoauge, hier bin ich, die Bundesverteidigungsministerin, die das alles ankurbelt. Siehst Du meine Farben?

 

Hast Du ihre Farben gesehen, als sie in Erbil auftauchte, umringt von Männern und Aber-Männern, klein, zierlich, den blonden Schopf gegen Barsanis Turban ins Feld führend. Den Mut muss man erst mal haben. Denn die von den Kurden erbetenen Waffen fehlten leider noch. Für heute hat unsere Speerspitze nichts als sich selbst im Gepäck. Alles ein bisschen peinlich, aber für sie nicht ganz so schlimm. Denn sie liebt die Solistenrolle. Bloß der Herr Von-und-Zu, ihr Vor-Vorgänger, kultivierte einen vergleichbar ausladenden Öffentlichkeitsehrgeiz.

Rein optisch ist das natürlich ganz hübsch, hilft aber nicht darüber hinweg, dass wir Deutschen irritiert sind. Wir wissen nicht mehr, wer wir sind, noch weniger wissen wir, was wir sind. Ein starkes Deutschland oder ein schwaches Gebilde, das seine internationalen Verpflichtungen nicht erfüllen kann? Dessen Hubschrauber nicht vom Boden hochkommen und dessen Jets nicht einsatzbereit sind, weil man an Ersatzteilen gespart hat? Wer eigentlich denkt sich so etwas aus?

Ist die Bundeswehr wieder einmal „Bedingt abwehrbereit“?

Und also sehen wir ein Land auf dem Trip zurück, wieder angekommen im Jahr 1962, als Conny Ahlers für den „Spiegel“ die sensationelle Bundeswehr-Story „Bedingt abwehrbereit“ schrieb und eine Affäre mit Folgen auslöste? Wir sehen die Bundeswehr in einem Zustand, den wir staunend als „Überhaupt nicht einsatzbereit“ erkennen müssen. Wie aber passt der wirtschaftliche Erfolg, wie passt die Rolle des ökonomischen Pulsgebers in Europa zu dieser militärischen Ohnmacht? Zu dieser Blamage? Zu dieser Peinlichkeit vor dem Angesicht der westlichen Welt? Man weiß nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll. Ich empfehle: lasst uns lachen. Es lohnt sich, ist ja auch zu komisch. Erst ermahnt uns ausgerechnet der Bundespräsident, auf dem Globus mehr Verantwortung zu übernehmen, muss sich dafür von den Linken auch verbal als Kriegshetzer verprügeln lassen. Und dann das, dann weiß der Arme, der Redliche, der Wohlmeinende nicht einmal, dass wir das gar nicht können – recht eigentlich auch nicht wollen. Dabei ist es eine alte Geschichte.

Sie beginnt mit Preußens Gloria und seinem Spross, dem gleichermaßen musischen wie militärischen Alten Fritz, einem ziemlich unerbittlichen Krieger, der seinen Zeitgenossen einiges zugemutet hat. Das setzt sich fort in der Rolle der Deutschen beim Ausbruch und beim Führen der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und der heilsamen Katastrophe von 1945. Seither haben wir es nicht mehr so mit dem Militärischen. Deshalb die selbstquälerischen Debatten im Bundestag, als es in den Fünfzigerjahren um die Wiederbewaffnung ging; deshalb der Riesenstreit um die Hauptstadt nach der Wiedervereinigung, der nur ganz knapp ausfiel. Denn Bonn oder Berlin, das bedeutete für Viele auch: hie die gebotene deutsche Bescheidenheit, dort ein Wiederaufkeimen alter Großmachtgefühle und womöglich militärischer Überheblichkeiten.

Je kräftiger sich Deutschland auf dem Markt der Europäer entwickelte, desto mehr nahm es sich in Sachen Verteidigung zurück.

Das Ministeramt ist und bleibt ein Schleudersitz

Von den Problemen mit der Ausrüstung der Soldaten, mit Ersatzteilmiseren, mit Hubschraubern und Tornados war bisher allenfalls am Rande die Rede. Es war ja auch kein naher Feind in Sicht. Unsere Freiheit musste nur in weiter Ferne, am Hindukusch, erkämpft werden. Also munter die Wehrpflicht abgeschafft; die Verteidigungsetats gekürzt, gekürzt und noch mal gekürzt. Und schließlich Ursula von der Leyen, eine Mutter von sieben Kindern, dazu von püppchenhafter Erscheinung, zur Ministerin in diesem Schleudersitz-Ressort ernannt, eine Frau, die sich zu Beginn ihrer Amtszeit erst einmal um den Ausbau von Kitas für die Soldatenkinder sorgte.

Das war der Höhepunkt und konsequenteste Ausdruck dieser jahrelangen Entwicklung. Die Bundesverteidigungsministerin als Inkarnation der Entmilitarisierung, der Infantilisierung des Militärs. Die Streitkräfte nicht als Schule, sondern als der Kindergarten der Nation. Und die Deutschen, die Eroberer, die Kriegswütigen, die Militaristen von einst nun endgültig als Friedenstauben Europas, als Brunnenbohrer in wüsten Gegenden und Erbauer von Mädchenschulen. An ihrer Spitze ein rettender blonder Engel, der ein und die andere geleaste und voll beladene Antonow, mit wehendem Haar, großer Geste und ernstem Blick sehr fotogen auf ihre humanitären Reisen schickt. Kalorien statt Kanonen. Na, das hat doch was. Es wird der Republik und ihrer Ministerin schwer fallen, es dabei nicht zu belassen.