Den Knall bei der Auswahl der Polizeipräsidenten hat Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall überstanden. Jetzt machen ihm die vielen Wohnungseinbrüche zu schaffen. Doch der Mann weiß sich zu helfen.

Stuttgart - Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall bewegt sich, das liegt in der Natur seines Amtes, durch vermintes Gelände. Zwei Mal kam es bisher zur Explosion. Das eine Mal bei der zunächst gescheiterten Besetzung der Spitzenposten in den neu geschaffenen Polizeipräsidien. Dieses Malheur überstand der SPD-Politiker nicht unbeschadet, aber doch bei vollem Erhalt seiner politischen Durchsetzungskraft. Die Umsetzung der Polizeireform setzt den Polizeiapparat zwar noch immer unter Stress. Aber das war nicht anders zu erwarten, schließlich handelt es sich um die größte Reform in der Geschichte der Landespolizei. Sie soll Ressourcen frei setzen für die Bewältigung neuer Bedrohungen.

 

Dazu gehört zum Beispiel die Internetkriminalität. Und sie soll mehr Polizisten vom Schreibtisch auf die Straße bringen. Gall hat dazu jüngst eine Erfolgsmeldung verbreitet. Alle 146 Polizeireviere des Landes haben mindestens zwei zusätzliche Stellen zugewiesen bekommen, mehr als ein Drittel der Reviere sogar drei und mehr Stellen. Demnach wurden 28 Polizeireviere mit drei Stellen ausgestattet, 16 Reviere mit vier Stellen und sechs Reviere mit fünf Stellen.

Weg von den Schreibtischen

Zugleich räumte der Innenminister ein, dass die Stellenzuweisung in Teilen bisher nur auf dem Papier existiert. Der Grund: Die neuen Stellen für die Polizeireviere werden aus der Zusammenlegung der bisherigen Landespolizeidirektionen mit den Polizeidirektionen in den Stadt- und Landkreisen generiert. Eine namhafte Zahl von Planstellen in der Leitungsebene fällt weg, deren Inhaber müssen aber erst in Pension gehen, ehe sie für den Streifendienst frei werden. Perspektivisch werde aber, so Gall, das Ziel der Polizeireform sogar übertroffen. 292 Planstellen sollten an die Reviere gehen, tatsächlich sind es aber 378,5 Stellen, also 86,5 mehr als ursprünglich in Aussicht gestellt.

Die Lage nach der zweiten Explosion ist unübersichtlich. Noch hallt die Detonation nach, doch hinter den Rauchschwaden zeichnet sich Galls Gestalt ab. Er steht, hat aber weiter mit den zuletzt stark gestiegenen – um im Bild zu bleiben: explodierten – Zahlen in der Statistik der Wohnungseinbrüche zu kämpfen. Laut Kriminalstatistik ist die Zahl der Wohnungseinbrüche im vergangenen Jahr im achten Jahr hintereinander gestiegen. Dies um stattliche 19,4 Prozent auf 13 483 Fälle. 2013 waren es 11 295 gewesen. Der Innenminister versucht die Malaise zwar noch schön zu reden, unter anderem mit dem Hinweis auf eine von matten elf auf auch nicht gerade ersprießliche 14 Prozent gestiegene Aufklärungsquote. Doch der Beifall für diese „Erfolgsmeldung“ blieb erwartungsgemäß aus.

Auch habe der Zuwachs der Wohnungseinbrüche von 2012 auf 2013 noch bei fast 32 Prozent gelegen. Auch diese Information konnte nicht wirklich trösten. Inzwischen ist die Lage so, dass sich die Einbrecher selbst dann nicht abschrecken lassen, wenn sie – wie neulich geschehen – im Flur die Uniform eines höheren Polizeioffiziers hängen sehen. Sie griffen dennoch nach Geld und Schmuck, während der Beamte selig schlief.

Offene Flanke schließen

Gall versucht nun, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Er mobilisiert im Nachtragshaushalt 1,6 Millionen Euro, um die auflaufenden Überstunden der Polizisten finanziell abzugelten, nicht mit Freizeit. Er erhält 226 Stellen, die in den Stellenplänen zur Streichung vorgesehen waren. Das kostet im Endausbau zwölf Millionen Euro im Jahr. Und er erhöht für zwei Jahre die Ausbildungskapazität. Mit den 226 Stellen mit „kw-Vermerk“ („kann wegfallen“) hat es Folgendes auf sich: Bereits Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte die Ausbildungszahlen zwischenzeitlich über Plan erhöht, um die anstehende Pensionierungswelle bei der Polizei zu kompensieren. Dafür wurden im Gegenzug bestehende Stellen als in der Zukunft entbehrlich ausgewiesen.

Gall bekam nach dem grün-roten Regierungswechsel die Botschaft mit auf den Weg, er müsse zwar keine weiteren Stellen streichen, könne aber auch nicht mit neuen rechnen. Um dennoch zusätzliche Stellen für das operative Geschäft zu generieren, setzte der Innenminister die Polizeireform in Gang. Mit dem neuen Sicherheitspaket vollbringt Gall eine Trendwende. Es klingt zwar ein bisschen schräg, liegt aber in der Logik von Verwaltungsplanung: Bestehende Stellen, die nicht wegfallen, sind neue Stellen. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist bewusst, dass eine offene Flanke auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit die Wahlchancen bei der Landtagswahl nicht gerade erhöhen. Die Opposition lässt schon jetzt keine Gelegenheit verstreichen, um auf die vielen Wohnungseinbrüche hinzuweisen. Der Innenminister aber lasse Taten vermissen.