Die Landesregierung will die Bauvorschriften ändern und damit das Umweltbewusstsein und die Sicherheit stärken. Die Opposition befürchtet mehr Bürokratie und Überwachung.

Stuttgart - Rauchmelder in den Schlaf- und Kinderzimmern der Wohnungen sowie in Hotels und Pensionen aber auch in Gemeinschaftsunterkünften sollen in Zukunft Standard sein. Die Landesregierung will die „Rauchwarnmelderpflicht“ in die Landesbauordnung aufnehmen, die demnächst geändert werden soll. Die Vorschrift soll zunächst für Neubauten gelten. Für bestehende Häuser ist eine noch nicht definierte Übergangsfrist vorgesehen, die sich nach Angaben von Gisela Splett, der Staatssekretärin im Infrastrukturministerium aber im Bereich von Jahren bewegen wird. Auch in Ställen sei an eine Pflicht zum Einbau von Brandmeldeanlagen gedacht.

 

Mehr Fahrradabstellplätze

Die Sicherheitstechnik ist laut Splett und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) nur ein Aspekt, der der Novellierung der Landesbauordnung zugrunde liegt. Es geht auch um soziale und ökologische Gesichtspunkte. Abstellflächen für Kinderwagen, Gehhilfen und Fahrräder wie sie bisher für Wohnhäuser vorgeschrieben sind, sollen auch in gemischt genutzten Gebäuden Standard werden, sagte Splett bei der Präsentation der Eckpunkte. Bei neuen Wohnhäusern muss darauf geachtet werden, dass die Abstellflächen gut zugänglich sind. Auch seien mehr Fahrradflächen bei Neubauten vorgesehen.

Andererseits können Gemeinden die örtlichen Bauvorschriften so ändern, dass nicht mehr für jede Wohnung ein Autostellplatz vorgeschrieben wird. Das Verfahren zur Gesetzesänderung beginnt nun erst. Doch die FDP-Opposition ist bereits empört. „Wir brauchen keine Umerziehungspolitik in den Ballungsräumen sondern eine vernünftige Verkehrspolitik“, wettert Jochen Haußmann, der verkehrspolitische Sprecher der FDP gegen weniger Autoparkplätze und mehr Fahrradabstellflächen. Das sei „grüne Politik der schrillen Radklingel“.

Weniger Baugesuche ohne Genehmigung

Bei Baugesuchen soll das in die Kritik geratene Kenntnisgabeverfahren eingeschränkt werden. Es soll nur noch zugelassen werden, wenn sich ein Bauvorhaben genau am Bebauungsplan orientiert. Splett geht davon aus, dass es in Zukunft deutlich mehr vereinfachte Baugenehmigungsverfahren als Kenntnisgabeverfahren geben wird. Das Genehmigungsverfahren biete deutlich mehr Rechtssicherheit.

Einfacher soll die Nutzung regenerativer Energien werden. Solardächer müssen auch dann nicht mehr genehmigt werden, wenn nicht der Eigentümer sondern ein Dritter sie betreibt. Auch die Abstände zu den Nachbarn müssen nicht mehr so genau eingehalten werden. Die Kommunen können Solaranlagen nicht mehr aus rein gestalterischen Gründen per Satzung verhindern. Denkmalgeschützte Gebäude seien damit jedoch nicht generell zur Solarnutzung freigegeben, sagte Splett.

Mehr Aufklärung über Mobilfunkantennen

Als ein wichtiges politisches Anliegen der Landesregierung bezeichnete Splett die frühzeitige Information der Bürger über die Errichtung von Mobilfunkanlagen. Grün-rot strebt an, dass die Betroffenen in Zukunft auch dann informiert werden müssen, wenn Antennen aufgestellt werden sollen, die kürzer sind als zehn Meter.

Bei den Vorschlägen der Regierung handelt es sich zunächst um Eckpunkte. Erst in einem zweiten Schritt soll ein Gesetzentwurf folgen. Kretschmann nannte die Landesbauordnung „eine ziemlich komplexe Rechtsmaterie“. Das zweistufige Verfahren sei offener und breiter. Es sei angezeigt, da „viele Menschen flächendeckend“ betroffen seien. Für die FDP sind die Eckpunkte „Meilensteine des Bürokratieaufbaus“. Haußmann verlangt eine öffentliche Anhörung im Landtag. Bei der Rauchmelderpflicht sei eine „irrsinnige Überwachungsbürokratie“ zu befürchten.

Kenntnisgabeverfahren

Das Verfahren ist im Südwesten Anfang 1996 eingeführt worden. Das Baurechtsamt wird lediglich über das Bauvorhaben informiert. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich. Der Architekt ist dafür verantwortlich, dass der Entwurf den Vorgaben entspricht. Abweichungen müssen gesondert genehmigt werden und sind gebührenpflichtig.

Folgenschwer ist ein Fall in Stuttgart-Zazenhausen. Dort müssen auf Anweisung des Baurechtsamts zwölf Doppelhaushälften wieder verkleinert oder in Teilen abgerissen werden, weil sie von einem Bauträger größer gebaut wurden als laut Bebauungsplan erlaubt war. Der Städtetag und die Architektenkammer in Baden-Württemberg fordern, dass gar kein Gebäude mehr ohne amtliche Bauprüfung errichtet werden darf. Häuslebauer würden vor Ärger geschützt, wenn sie sich ihre Pläne vom Bauamt genehmigen lassen müssten.