Die Geschichte einer Heilung: Nach der Insolvenz 2009 kam der Göppinger Modellbahnhersteller Märklin aus eigener Kraft wieder auf die Beine.

Göppingen - Die Insolvenz traf Märklin ausgerechnet im Jubiläumsjahr. Als die Nachricht von der Zahlungsunfähigkeit des Modellbahnherstellers am 4. Februar 2009 die Spielzeugwelt erschütterte, war das Göppinger Traditionsunternehmen gerade ins 150. Jahr seiner Firmengeschichte gestartet. Drei Jahre zuvor hatte Märklin schon einmal kurz vor der Pleite gestanden. Der britische Finanzinvestor Kingsbridge Capital übernahm damals den angeschlagenen Hersteller von den 22 zerstrittenen Familiengesellschaftern und machte sogleich die Produktionsstätte im thüringischen Sonneberg dicht, 220 Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze. Ein Teil der Produktion wurde daraufhin ins ungarische Györ verlegt.

 

Doch selbst ein harter Sanierungskurs der Briten konnte den Abwärtstrend nicht stoppen. Nach tagelangen Verhandlungen entschieden die Landesbank Baden-Württemberg und die Kreissparkasse Göppingen einen Ende Januar 2009 ausgelaufenen Kredit über 50 Millionen Euro nicht zu verlängern. So war es der damalige Geschäftsführer Dietmar Mundil, der das bevorstehende Insolvenzverfahren mit kämpferischen Worten ankündigte: „Wir sind fest gewillt, in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter unser Traditionsunternehmen mit Kultstatus (. . .) zu sanieren und dauerhaft im Markt zu etablieren.“ Der Verlust von 18 Millionen Euro im zurückliegenden Geschäftsjahr belastete die Göppinger schwer und ließ die Schulden auf 90 Millionen Euro anwachsen.

Managementfehler hatten Märklin in diese Situation gebracht, da waren sich die Experten einig. Die Produktion sei zu teuer gewesen und bei der Entwicklung neuer Produkte habe sich das Unternehmen verzettelt, anstatt sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Zudem hatte Märklin den Nachwuchs – und damit die Sammler von morgen – aus den Augen verloren. Die kleinen Eisenbahnen waren nahezu komplett aus den Kinderzimmern der Republik verschwunden. Ständige Wechsel in der Geschäftsführung und unnötige Millionengagen für Berater hätten die Traditionsmarke zudem belastet und keine guten Signale an die Banken gesendet, so die Kritik. „Es war niemand mehr da, der die Marke gelebt hat“, sagte der Geschäftsführer des größten europäischen Spielwaren-Einkaufsverbundes Idee+Spiel, Otto Umbach, damals.

Kaum im Amt, setzte der zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmte Ulmer Rechtsanwalt Michael Pluta erst einmal alle Berater vor die Tür: „Da tränen einem die Augen“, sagte der Jurist zur Anzahl der bei Märklin tätigen Berater, die in den drei Jahren vor der Pleite rund 40 Millionen Euro erhalten haben sollen. Pluta war zuversichtlich, bald einen Investor für den heruntergewirtschafteten Modellbahnhersteller präsentieren zu können. Die Anzahl der Interessenten stieg binnen kurzer Zeit in den dreistelligen Bereich an, schmolz aber ebenso rasch wieder auf sieben bis zwölf ernsthafte Kandidaten ab. Die Suche nach einem Käufer mit Geld – mindestens 60 Millionen Euro – und „Herzblut“, die der Jurist bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ende März 2009 ausgerufen hatte, erwies sich als schwieriges Unterfangen.

Derweil ging die Produktion zunächst unverändert weiter, einzig das Werk in Nürnberg wurde geschlossen, 60 Mitarbeiter waren betroffen. In der Folge sollten weitere 400 von rund 1400 Märklin-Mitarbeitern ihren Job verlieren.

Zur Überraschung vieler Beobachter erholten sich die Geschäfte schon bald, so dass die Göppinger im Januar 2010 wieder schwarze Zahlen für das gerade abgelaufene Geschäftsjahr vermelden konnten. Ein paar Wochen später war ein Verkauf zunächst vom Tisch: Pluta sah das Unternehmen in der Lage, sich selbst zu sanieren, und überzeugte auch die Gläubiger von diesem Weg. „Man muss den Patienten (aber) erst heilen und restrukturieren, bevor man ihn dann verkauft“, sagte der Insolvenzverwalter als Märklin Ende 2010 nach knapp zweijähriger Schrumpfkur die Insolvenz hinter sich ließ. Das Unternehmen gehörte fortan seinen 1350 Gläubigern.

Juristisch wurde Märklin weiter von Pluta vertreten, als neuer Geschäftsführer kam Stefan Löbich vom Handelskonzern Würth ins Unternehmen. „Wir wollen Märklin wieder der breiten Bevölkerung zugänglich machen. Denn Märklin begegnet einem nun mal nicht jeden Tag in der Fußgängerzone“, sagte Löbich zum Antritt. Mit besserem Service und dem direkten Draht zu Händlern und Kunden wollte der Modellbahnbauer nach dem Abschluss der Insolvenz wieder Boden gutmachen – das Konzept ging auf. Mit den drei verschiedenen Produktlinien Märklin, Trix und LEG wurde eine Mehrmarkenstrategie etabliert, die junge Zielgruppe sprach der Hersteller mit seiner neuen „My world“-Serie an, einer günstigen Modelleisenbahn fürs Kinderzimmer.

Im Herbst 2011 wurde Wolfgang Bächle als Geschäftsführer für den Bereich Technik neben Löbich installiert. Bächle, ein Märklin-Urgestein, war seit 1990 für die Göppinger tätig, zuletzt als Werksleiter im ungarischen Györ. Es scheint tatsächlich, als habe sich das entgleiste Traditionsunternehmen besonnen und aus eigener Kraft zurück in die Spur gefunden.