Die Sporthalle der Eschenried-Schule wird zur Notunterkunft umgebaut. Dies beschloss der Gemeinderat in einer Sondersitzung. Weitere 50 Asylsuchende sollen in die ehemalige Rotkreuzzentrale in der Waldenbucher Straße einziehen.

Sindelfingen - Fast einstimmig – bei zwei Enthaltungen – haben die Sindelfinger Räte am Donnerstagnachmittag beschlossen, die Sporthalle der leer stehenden Eschenried-Realschule an den Landkreis zu vermieten. Dieser will dort schon demnächst 150 Flüchtlinge unterbringen. Außerdem wird geprüft, ob sich auch das Schulgebäude als Wohnheim eignet. Weitere 50 Menschen sollen bereits Mitte Oktober in die ehemalige Rotkreuzzentrale in der Waldenbucher Straße einziehen. Nach einem Umbau könnten dort insgesamt 120 Menschen Platz finden.

 

Sehr kurzfristig hatte die Sindelfinger Stadtverwaltung die Räte zu einer Sondersitzung zu diesem Thema eingeladen. Den Grund nannte der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer zu Beginn der Sitzung: „Der Landkreis ist in einer Notsituation. Weitere Flüchtlinge stehen vor der Tür, und der Kreis braucht dringend Unterkünfte.“ Erst am Dienstag hatte der Landrat Roland Bernhard bei einem Treffen mit allen Oberhäuptern der 26 Kommunen im Kreis an diese appelliert, leer stehende Immobilien für die Unterbringung der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Bernhard zeigte sich nun sehr erleichtert über die Entscheidung, dass der Gemeinderat die Sporthalle im Eschenried frei gibt: „Das ist genau die Unterstützung, die wir jetzt brauchen.“

Die Statements der Fraktionschefs im Gemeinderat waren eindeutig. „Im Grunde liegt unsere Entscheidungsfreiheit bei null. Wir sind eine Solidargemeinschaft im Kreis, und wenn wir eine leer stehende Halle haben, müssen wir diese zur Verfügung stellen“, sagte Hans Grau, der Fraktionschef der Grünen. „Mir ist es sehr unwohl, Menschen in einer Sporthalle unterzubringen. Aber wir haben kein Wahl. Das ist auf jeden Fall besser, als Zelte aufzustellen“, meinte Andreas Knapp von der FDP.

Wichtig war den Räten, dass der Landkreis eine gute Betreuung der Flüchtlinge garantiert: „Sollte es Probleme für die Anwohner geben, kommen Sie auf uns zu“, sagte der OB in Richtung der Zuschauertribüne, wo rund 30 Besucher die Debatte verfolgten. Bereits am kommenden Mittwoch ist eine Bürgerinformation zu der Flüchtlingsunterkunft geplant. Der OB verbreitete Zuversicht: „Gemeinsam mit den Profis vom Landratsamt und den vielen Ehrenamtlichen in der Stadt schaffen wir das.“

Notunterkunft für ein Jahr geplant

Das Landratsamt baut nun die Sporthalle in ein provisorisches Wohnheim um. „Allerdings können wir bei der knappen Zeit nicht den hohen baulichen Standard wie in den anderen Hallen umsetzen“, sagte Dusan Minic, der Pressesprecher des Landratsamtes. Vorgesehen ist zunächst eine einjährige Nutzung der Halle als Heim für Asylbewerber. Der Vertrag zwischen der Stadt und dem Kreis wird auch nur für diesen Zeitraum geschlossen.

Die neuen geplanten Heime in Sindelfingen lösen die Unterbringungsprobleme des Kreises nur bedingt. „Wir müssen diesen Monat 800 Menschen neu aufnehmen. 200 Plätze fehlen uns noch“, sagte Alfred Schmid, der Sozialdezernent des Kreises. „Und im November kommen weitere Hunderte Flüchtlinge.“ Er appellierte erneut an die Städte und Kommunen im Kreis : „Wir brauchen leer stehende Hallen, auch Gewerbeimmobilien. Wir nehmen alles.“

Sindelfingen geht voran

Wenn man die ständigen Bilder von Menschenmassen im Fernsehen sieht, die alle ein Ziel haben – Europa, dann wird es vielen Bürgern angst und bange. Wie viele wollen noch kommen? Wo sollen wir sie unterbringen, wie integrieren?

Da tut es gut, einen Schritt zurückzutreten, sich die Fakten anzuschauen. Mit einer Million Flüchtlinge rechnet man in diesem Jahr für Deutschland mit seinen mehr als 80 Millionen Einwohnern. 4100 Asylsuchende werden wohl bis Jahresende im Kreis Böblingen – 360 000 Einwohner – angekommen sein. Massen sind das nicht.

Es muss doch möglich sein, in unserem wohlhabenden Kreis, diese 4100 Menschen, die Krieg und Elend entkommen sind, Unterschlupf zu bieten und die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. Viele Mitarbeiter in den Kreis- und Stadtverwaltungen und bei sozialen Organisationen sowie viele ehrenamtlich engagierte Bürger zeigen, dass es möglich ist. Sie richten Wohnheime ein, organisieren Möbel, begrüßen die Neuankömmlinge, helfen beim Einleben in den deutschen Alltag. Probleme gibt es – auch dank der vielen Helfer – im Kreis bislang in keinem der 25 Flüchtlingsheime, dafür aber schon etliche erfolgreiche Integrationsgeschichten.

Viele packen mit an, aber es könnten noch mehr werden. Das gilt auch für die Kommunen. Sindelfingen geht nun voran, ist bereit, zu den 500 Flüchtlingen, die bereits in der Stadt leben, weitere aufzunehmen. Andere Kommunen sollten folgen. Wenn sich viele beteiligen, wird niemand überfordert. Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für den Kreis Böblingen.