Mehr als 200 Bürger diskutieren am Informationsabend leidenschaftlich und kontrovers über einen Standort.

Sindelfingen - Wie soll das künftige Bürger- und Kulturzentrum der Stadt Sindelfingen aussehen? So wie die Verwaltung es sich vorstellt: als modernen Neubau mit 2500 bis 3000 Quadratmetern für Büros, Abstell- und Besprechungsräume für Vereine auf dem Gelände der Alten AOK? Oder als soziokulturelles Zentrum im leer stehenden Kaufhaus Domo mit 10 000 Quadratmeter Fläche, das neben Büroräumen und Gastronomie auch einen großen Veranstaltungssaal erhalten soll? Dieses Thema bewegt offenbar etliche Menschen in Sindelfingen. Mehr als 200 kamen am Dienstag in die Stadthalle, um sich die Präsentationen der Stadtverwaltung sowie des Fördervereins Domo novo anzuhören – und anschließend kontrovers zu diskutieren. Dabei fiel auf: Offenbar hat die Domo-Lösung mehr Anhänger – oder diese meldeten sich lauter zu Wort.

 

Unmut äußerte zunächst Herbert Rödling, der Vorsitzende der Initiative Domo novo, der nach den Repräsentanten der Stadtverwaltung sein Konzept zur Wiederbelebung des leer stehenden Kaufhauses vorstellen durfte. Zuvor hatte der Kulturamtschef Horst Zecha bereits die Sicht der Verwaltung zu den Plänen der Initiative dargelegt. „Zu groß, zu teuer, zu komplizierte Eigentumsstrukturen“, lautete das Fazit. Für eine schnelle Realisierung eines Kulturzentrums setzt die Stadt auf ihren Plan, eines Neubau auf dem Gelände der heutigen Alten AOK zu erstellen.

Mit etwa 21 Millionen Euro rechnet die Verwaltung für den Erwerb und die Sanierung des Domo, eine Anmietung kommt nach deren Berechnung sogar auf das Doppelte. Die Initiative Domo novo, die bereits konkrete Sanierungspläne erstellt hat, geht von zehn bis maximal zwölf Millionen Euro aus. Die Zahlen, die Zecha genannt hatte, seien schlicht falsch, sagte Rödling, ohne indes andere zu nennen. „Zurzeit laufen die Verhandlungen mit dem Eigentümer. Das ist ein sensibles Thema. Ich bitte um Verständnis.“ Zur Seite sprang Rödling Peter Klein, der den Eigentümer des Kaufhauses vertrat. „Die Zahlen, die Sie hier nennen, Frau Clemens, stimmen nicht. Sie sind wesentlich niedriger. Das wissen Sie.“ Kritik äußerte Rödling auch am Ablauf der Präsentation. „Ich habe nun die Aufgabe, ein Konzept vorzustellen, das die Verwaltung zuvor bereits zerpflückt hat. Es wäre schön, wenn die Stadt auch ein detailliertes Konzept für ihr Zentrum vorlegen könnte, damit wir es zerpflücken können.“

Domo-novo-Aktivisten kritisieren städtische Planung

Aus seiner Sicht hat der Plan der Verwaltung einen entscheidenden Mangel: „Ein Kulturzentrum ohne Veranstaltungsraum kann nicht funktionieren. Dann lebt das Haus nicht, sondern ist ein Bürogebäude.“ Außerdem hätte das Konzept des Domo-novo-Vereins einen großen Vorteil: „Wir lösen damit zugleich ein städtebauliches Problem, indem wir das Domo, das langsam zerfällt, wiederbeleben.“

Herbert Rödlings spitze Töne veranlassten auch den Oberbürgermeister Bernd Vöhringer zu einer Replik: „Wir müssen überlegen, was sich die Stadt leisten kann angesichts einer Fülle anderer Aufgaben.“ Er nannte den Wohnungsbau, insbesondere für Flüchtlinge und den Ausbau der Kinderbetreuung. „Und wir dürfen nicht den Erhalt der bestehenden Infrastruktur vergessen.“ Angesichts der schwankenden Gewerbesteuereinnahmen der Stadt könne diese keine Risiken eingehen. Die sieht der OB beim Domo in der komplizierten Eigentumsstruktur – im Haus gibt es 70 Eigentumswohnungen.

Bei der anschließenden Diskussion betonten viele den städtebaulichen Aspekt. „Was stellt die Stadt sich mit dem Domo vor? Will sie das verfallen lassen?“, fragte ein Teilnehmer. Antonio Bras von der IG Kultur kritisierte, dass er den Raumbedarf der IG nicht im städtischen Konzept wiederfinde. „Wir brauchen Veranstaltungssäle und Nebenräume.“ Georg Sommer, der Chef der Hallengesellschaft, verwies hingegen auf die bestehenden Strukturen. „Vergessen Sie die jetzigen Hallen nicht.“

Die Bürgerinformation war der Auftakt zu einem umfangreichen Dialog. Ende des Jahres soll der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss fällen.

70 Vereine wollen mitmachen

Die Idee zu einem Bürger- und Kulturzentrum entstand beim Bürgerdialog Sindelfingen 2025. Die Grünen griffen es im Kommunalwahlkampf 2014 auf und brachten das leer stehende Kaufhaus Domo ins Spiel, das als Schandfleck der Stadt gilt. Daraus entstand eine Initiative, die mittlerweile einen Förderverein gegründet hat. Die Stadtverwaltung hat in den vergangenen Monaten insgesamt acht mögliche Standorte für ein Zentrum geprüft. Übrig bleiben die Alte AOK und das Domo.

Ein Büro hat im Auftrag der Verwaltung sämtliche 310 Vereine und Initiativen der Stadt angeschrieben, um den Bedarf für ein Kulturzentrum zu ermitteln. 149 Fragebögen kamen zurück. 70 Vereine meldeten konkrete Rauminteressen in einem solchen Zentrum an.

Das Domo bietet 10 000 Quadratmeter Fläche. Der Förderverein möchte Veranstaltungssäle, Proberäume für Bands, gastronomische Betriebe und Büros für Vereine und Sozialeinrichtungen unterbringen. Nicht gelöst ist die Parksituation. Die Stadt plant einen Neubau auf dem Alten AOK-Areal mit knapp 3000 Quadratmetern – ohne Veranstaltungssaal