Einem syrischen Ehepaar droht die Abschiebung – das würde die Großfamilie auseinanderreißen. Der Fall wird am Donnerstag, 28. Mai, vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht verhandelt.

Sindelfingen - Alles sah nach einem glücklichen Ende aus: Vor etwa einem Dreivierteljahr fand eine syrische Großfamilie nach vielen Monaten endlich wieder ein eigenes Heim. Auf ihrer dramatischen Flucht aus dem Bürgerkriegsland war die Mutter von fünf Kindern ums Leben gekommen. Über die Wohnung in Sindelfingen war die Familie Rabba/Mansour überglücklich. Doch nun soll sie auseinandergerissen werden. Einem Teil droht nämlich die Abschiebung nach Bulgarien. Der Fall wird am 28. Mai vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht verhandelt.

 

Gemeinsam war Tarek Abd Rabba mit seiner Frau und fünf Kindern zwischen vier und 16 Jahren vor dem Bürgerkrieg in Aleppo geflohen. Mit dabei waren auch der Onkel Khalid Mansour und dessen Frau Fatima Hamza. Die Familie schaffte es bis nach Bulgarien. Dort beantragten sie Asyl und erhielten es auch. Doch außer einem sicheren Status gab es nichts. „Niemand hat sich um uns gekümmert“, klagt Tarek Abd Rabba. Besonders dramatisch wurde es, als seine Frau schwer erkrankte. „In keinem Krankenhaus wollte man uns helfen. Überall hat man uns weggeschickt.“ Die 36 Jahre alte Frau starb. Sie wurde in Bulgarien beerdigt.

Nach ihrem Tod hielt die Familie nichts mehr in dem EU-Mitgliedstaat. Sie wollte nur weg aus einem Land, in dem es noch nicht einmal eine medizinische Versorgung für Flüchtlinge gibt. Die Erfahrungen, die die syrische Großfamilie in Bulgarien machte, sind kein Einzelfall, wie ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl vom 15. April bestätigt. Darin berichtet die Organisation davon, dass Flüchtlingen häufig eine medizinische Behandlung verweigert werde – sogar in Notfällen.

Neu ankommende Flüchtlinge würden oft wieder in die Türkei zurückgeschickt. Während des Verfahrens würden die Asylsuchenden auch häufig in Gefängnisse gebracht. Dort seien Misshandlungen und Folterungen an der Tagesordnung. Anerkannte Flüchtlinge hätten zwar einen sicheren Rechtsstatus, müssten aber aus den Asylunterkünften ausziehen und lebten zum Teil auf der Straße. Pro Asyl fordert deshalb einen sofortigen Abschiebestopp nach Bulgarien.

Trotzdem sollen nun der 60 Jahre alte Khalid Mansour und seine drei Jahre jüngere Ehefrau Fatima Hamza nach Bulgarien ausgewiesen werden. Eine Abschiebeverfügung haben sie erhalten. Das Ehepaar hat dagegen geklagt. Am Donnerstag, 28. Mai, verhandelt das Stuttgarter Verwaltungsgericht über den Fall.

Für Manfred Weidmann, den Anwalt der Familie, ist es nicht nachvollziehbar, dass man das Ehepaar „nach anderthalb Jahren in Deutschland“ nun abschieben will. „Die Familie ist gut integriert, wird von einem Freundeskreis betreut.“ Dies bestätigt auch der Böblinger Diakon Martin Rebmann, der den Helferkreis koordiniert und die Großfamilie kennt, seit sie im Dezember des Jahres 2013 nach Böblingen kam. „Man darf die Familie nicht auseinanderreißen. Frau Hamza ist zur Ersatzmutter für die fünf Kinder geworden.“

Doch auch über Tarek Abd Rabba und seinen fünf Kindern hängt das Damoklesschwert der Ausweisung. Sie haben keinen Anspruch auf einen Aufenthalt in Deutschland, da sie in Bulgarien als Flüchtlinge anerkannt wurden. Dabei sind die fünf Kinder bestens integriert, besuchen Kindergarten und Schulen. Sindelfingen ist längst ihre neue Heimat geworden.