Ein Beschluss über höhere Gebühren wurde nach Protesten von der Stadtverwaltung gekippt – der neue Gemeinderat soll das nun richten.

Sindelfingen - Zwei große Themen hat der Wahlkampf in Sindelfingen, der größten Stadt im Kreis Böblingen: die Erhöhung der Kitagebühren und die Schaffung eines Kultur-, Jugend- und Vereinszentrums. Beim Gebührenthema gibt es zwei große Lager im Gemeinderat: Die CDU, die Freien Wähler und die FDP stimmten kurz vor Weihnachten für die Vorlage der Stadtverwaltung, die eine Anhebung der Gebühren um sieben Prozent für Kindergartenkinder und 12,5 Prozent für Hortkinder empfahl. Die SPD, die Grünen und der einzige Rat der Linken stimmten dagegen. Da CDU und Freie Wähler zusammen die Mehrheit im Gremium haben, wurde die Erhöhung so beschlossen.

 

Doch die oppositionelle Parteien übten außerparlamentarischen Druck aus: Der Linke Richard Pitterle initiierte eine Unterschriftenaktion vor den Kindergärten der Stadt gegen die neue Gebührenordnung. Die Grünen forderten in ihrem Wahlprogramm eine Rücknahme der Gebührensteigerungen. Und auch die SPD wetterte öffentlich gegen die Erhöhung im Hortbereich. Und da nun mal gerade Wahlkampf ist, hatten die Proteste Erfolg: Die Stadtverwaltung zog die beschlossene Erhöhung zurück. Im Herbst soll dann mit dem neuen Gemeinderat erneut über das Thema gesprochen werden.

Kulturzentrum ist in Planung

Beim Thema Kulturzentrum mischen alle Parteien mit. Unterschiedliche Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch. Am weitesten gediehen ist das Konzept der Grünen, die das leer stehende Kaufhaus Domo wiederbeleben und zum Treffpunkt für Vereine und Kulturschaffende machen wollen. Auch ein Jugendtreff soll in dem Gebäude unterkommen.

Die CDU schlägt die demnächst frei werdende Realschule Eschenried als Kultur- und Jugendzentrum vor. Die SPD möchte mehrere Gebäude prüfen lassen, kann sich auch den Oberlichtsaal der Galerie oder das alte Kino am Marktplatz als Treffpunkt für Jugendliche und Kulturschaffende vorstellen. Eines ist sicher: auch dieses Thema wird die Stadträte noch nach der Kommunalwahl beschäftigen.

Bei anderen Themen herrscht im Gremium oft über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit. Ideologische Grabenkämpfe gibt es kaum – und wenn, dann richten sich Angriffe meistens gegen die Verwaltungsspitze, vor allem gegen den Oberbürgermeister Bernd Vöhringer. Lediglich Andreas Knapp, der Fraktionschef der FDP, neigt gelegentlich zu emotionalen Statements – vor allem bei seinem Lieblingsthema Gemeinschaftsschulen, die er für ausgemachten Unsinn hält.

Bei Haushaltsabstimmungen ist zumeist Richard Pitterle, der Rat der Linken, die einzige Opposition im Gremium. Dass er überhaupt Stadtrat ist – eine Besonderheit im Kreis Böblingen, wo es sonst in keinem Gemeinderat Linke gibt –, verdankt er wohl seiner Bekanntheit in der Stadt. Hier ist der Sohn einer Flüchtlingsfamilie aus Tschechien aufgewachsen, war bereits am Pfarrwiesengymnasium als Schulsprecher politisch aktiv. Mit vielen Ratskollegen ist er per Du.

Rederecht auch für Einzelkämpfer

Auch als Einzelkämpfer wird ihm stets ein Rederecht zugestanden. Bei der jetzt anstehenden Wahl hofft Pitterle, der auch noch Bundestagsabgeordneter des Kreises Böblingen ist, „auf Fraktionsstärke zu kommen“. Das würde bedeuten, dass zwei weitere Linke den Sprung ins Gremium schaffen. „Momentan muss ich mich mit mir allein beraten. Ein, zwei Mitstreiter zu haben wäre schön“, sagt er.

Bei den anderen Parteien stehen kaum Veränderungen an. Einzelne Räte treten nicht mehr an, dafür setzen alle Parteien auf junge Kandidaten. Wohl vor allem wegen der vielen Jungwähler dieses Mal, dürfen doch erstmals schon 16-Jährige mitwählen. Doch auch viele altgediente Räte stehen wieder auf der Liste. Allen voran Ingrid Balzer, die Fraktionschefin der Freien Wähler, ohne die eine Gemeinderatssitzung undenkbar erscheint.