Daimler zeigt in einer einzigartigen Schau zum 100-Jahr-Jubiläum am Standort Sindelfingen, wie die Autos zu ihrem Kleid kommen. Sie ist von 11. Oktober bis 18. Januar – exakt 100 Tage lang – in der Galerie am Sindelfinger Marktplatz zu sehen.

Sindelfingen - Wenn Autodesigner so dürften wie sie wollten, dann würden über unsere Straßen raumschiffartige Fahrzeuge gleiten: Autos, flach wie eine Flunder, und Zweiräder, so futuristisch, als wären sie geradewegs einem Science-Fiction-Film entsprungen. Skizzen und Modelle solcher Fortbewegungsmittel sind vom Samstag an in der Sindelfinger Galerie am Marktplatz sehen. Sie stammen aus dem Design-Zentrum von Daimler. Zum 100-Jahr-Jubiläum des Mercedes-Benz-Werks in Sindelfingen gewährt die Firma mit einer einmaligen Schau genau 100 Tage lang Einblicke in die sonst streng geheime Design-Abteilung: Sie zeigt den Weg der Autos von der allerersten Skizze bis zum fertigen Prototyp, der dann in Serie geht.

 

Die fantasievollen Science-Fiction-Entwürfe sind weit mehr als kreative Spielereien. Designer sind zuallererst Visionäre. „Wie sieht unsere Welt in zehn, 15 Jahren aus? Und welche Autos brauchen wir dann? Diese Fragen stehen am Anfang eines jeden Automodells“, sagt Holger Hutzenlaub. Der 48-Jährige ist der Chef des Bereichs Advanced Design Deutschland mit Sitz in Sindelfingen. Mit seiner Mannschaft arbeitet er an den „Autos von übermorgen“.

Dahinter steckt eine ganze Design-Philosophie, die auf sechs Säulen ruht: „Unexpected Moments“ lautet eine der Säulen – „unerwartete Augenblicke – so auch der Titel der Ausstellung. „Wir wollen den Autofahrern Überraschungen bieten. Sie sollen auch bei Details ein zweites Mal hinschauen, sich fragen, wie haben die das hingekriegt“, sagt Hutzenlaub.

Inspirationen aus der Natur

Anleihen für ihre Ideen nehmen seine Mitarbeiter aus der Technik und der Natur. Die Antriebdüsen eines Flugzeugs etwa inspirierten sie beim Entwurf von Luftdüsen für ein Auto. Großporige Schwämme nahmen sie als Vorbild für die Gestaltung eines Lenkrads. Der Trend, der den Zeitgeist widerspiegle, gehe im Moment eindeutig hin zur Natur. Beim Außendesign zeige sich dies in weichen, runden Formen, so Hutzenlaub. „Das ist ein Gegenentwurf zum digitalen Alltag der Menschen.“ Beim Interieur sei Holz mit natürlicher Maserung stark im Kommen.

Die bevorzugten Autofarben wechseln im Laufe der Zeit und variieren von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Fuhren Mitte der 1970er Jahre viele gelbe Flitzer auf deutschen Straßen, dominieren heute Weiß, Grau, Silber. In China hingegen seien kräftige Farben gefragt, vor allem Rottöne, sagt der Chef von Advanced Design. „Und im Inneren legen die Chinesen viel Wert auf Zierrat.“

Deshalb werden die Autos von morgen auch nicht nur von Designern in Deutschland geplant. „Wir haben Studios in Italien, den USA, Japan und China“, erklärt Hutzenlaub. Steht bei einem neuen Modell das Konzept, fertigen verschiedene Designer der diversen Studios Modelle an. In einem mehrstufigen Auswahlverfahren bleibt am Ende ein Modell übrig, das zum Prototyp wird. „Und es setzen sich nicht immer die deutschen Designer durch, schon zweimal haben wir uns für das Modell aus dem chinesischen Studio entschieden.“

Der Design-Prozess ist trotz modernster Technik noch immer viel Handarbeit. Am Anfang steht die handgefertigte Skizze. Sie wird am Computer weiterbearbeitet. Dieser errechnet ein virtuelles Modell, das an einer riesigen Präsentationswand in Originalgröße realitätsecht rüberkommt. Trotzdem seien Modelle aus Clay – einer Kunststoffmasse, die die Modellierer im Maßstab eins zu vier kneten, nach wie vor unerlässlich, sagt Hutzenlaub. „Manche Details nimmt man nur so wahr.“

Im Auto von übermorgen kann man entspannen

Parallel zum äußeren Design wird auch das Interieur entworfen. Dabei geht es um Oberflächen, Materialien und Farben. Nichts wird dem Zufall überlassen. Die Sound-Designer kümmern sich um den richtigen Plopp, wenn die Türe schließt. Olfaktorik-Experten sorgen dafür, dass ein Neuwagen auch wie ein solcher riecht. Mehr als 500 Mitarbeiter entwerfen weltweit in zehn Design-Zentren die Autos, Busse, Lastwagen, Helikopter der Zukunft.

Wie das Auto von übermorgen aussieht – auch das zeigt die Schau. Gleich im Foyer begrüßt ein Modell des aktuellen Forschungsfahrzeugs F 015 luxury in motion die Besucher: selbstfahrend, in ständiger Kommunikation mit Fahrer und Umgebung. Der Innenraum gleicht einem Wohnbüro. Im Auto der Zukunft kann man entspannen und arbeiten, lautet die Botschaft. Das Fahren übernimmt der Wagen selbst.

Vorträge, Filmabende, Workshops

Die Ausstellung „Daimler Design – Unexpected Moments“ wird am Samstag, 11. Oktober, eröffnet. Die Vernissage in der Städtischen Galerie am Sindelfinger Marktplatz beginnt um 11 Uhr. Bis zum 18. Januar ist die Schau werktags von 10 bis 18 Uhr, wochenends von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Veranstaltungen begleiten die Schau. Jeweils mittwochs beginnt um 18 Uhr eine Führung. Am 14. Oktober und am 10. Dezember gibt es Workshops für Kinder. Klaus Frenzel, der Leiter Digital Graphic & Corporate Design, stellt am 22. Oktober von 19 Uhr an die Daimler- Designphilosophie „Sinnliche Klarheit“ vor. Es gibt weitere Vorträge sowie Filmabende. Das komplette Programm findet sich unter www.galerie-sindelfingen.de.