Eisenbahntechnisch bringt die Trennung des schnellen Verkehrs und des Regionalverkehrs Vorteile. Mit der Kombination von Kopfbahnhof und Durchgangsbahnhof hat man natürlich eine insgesamt größere Anlage und damit eine viel höhere Flexibilität. Ohne diese Trennung wird die Gestaltungsfreiheit der Fahrpläne eingeschränkt.

 

Sie sagen: Bei 49 Zügen in der Spitzenstunde ist bei Stuttgart21 Schluss, bei der Kombilösung wären noch mehr möglich. Teilen Sie die Meinung der Projektgegner, dass Stuttgart21 eine Weiterentwicklung des Schienenverkehrs im Großraum verbaue?

Dieses Argument ist gewaltig hochstilisiert worden. Die absehbare Zahl von Zügen, die hier fahren, wird aber noch lange unter den geforderten 49 in der Spitzenstunde bleiben. In Baden-Württemberg werden noch immer sehr kurze Züge gefahren, in der Schweiz sind sie doppelt so lang oder noch länger. Man wird also erst mal mehr Wagen anhängen. Da ist ja auch noch viel Luft in dieser achtgleisigen Anlage. Zusätzliche Zugbestellungen kosten ja Geld, auch die Mittel dafür sind nach oben begrenzt.

Aber Sie sagen, dass Ihre Kombilösung ja sogar noch billiger sei als Stuttgart21.

Ja. Ganz salopp formuliert, kann man sagen, die Länge der Tunnel würde sich um etwa die Hälfte vermindern, der Tiefbahnhof wäre schmaler und kürzer. Die Kombilösung würde deshalb nur etwas mehr als die Hälfte von Stuttgart21 kosten.

Warum ist aus Ihrer Sicht SK 2.2 besser als das Knotenkonzept Stuttgart21?

Die Frage ist, welches Angebot die Bahn in 20, 30, 50 Jahren ihren Kunden offerieren will und welche Anlagen notwendig sind, um dieses Angebot zu machen. Dazu gibt es im Eisenbahnwesen so etwas wie eine goldene Formel: Die Kapazitäten kann man erhöhen, wenn man die Geschwindigkeiten - also die Zugarten - trennt. Diese Überlegung liegt auch der Idee zugrunde, eine neue, durchgehende ICE-Verbindung von Mannheim über Stuttgart bis Ulm zu bauen. Dadurch bekommt man ein geschlossenes System des Schnellverkehrs.

Das hat nach etlichen Jahren zum Konzept Stuttgart21 geführt. Diesem haben Sie im Stresstest das Prädikat "optimale Wirtschaftlichkeit" verliehen. Warum sagen Sie jetzt, eine Kombivariante mit Tief- und Kopfbahnhof wäre besser?

Unsere Frage in der herrschenden Gemengelage war: Was könnte die Bilanz am Ende des Stresstests sein? Diese könnte sein: Stuttgart21 hat bestanden, die Bahn darf bauen und tut das zehn Jahre lang unter Polizeischutz. Oder die Planungen wären auf null zurückgesetzt worden, wenn die Gegner recht bekommen hätten.

Das hat mit Eisenbahntechnik nichts zu tun.

Eisenbahntechnisch bringt die Trennung des schnellen Verkehrs und des Regionalverkehrs Vorteile. Mit der Kombination von Kopfbahnhof und Durchgangsbahnhof hat man natürlich eine insgesamt größere Anlage und damit eine viel höhere Flexibilität. Ohne diese Trennung wird die Gestaltungsfreiheit der Fahrpläne eingeschränkt.

Sie sagen: Bei 49 Zügen in der Spitzenstunde ist bei Stuttgart21 Schluss, bei der Kombilösung wären noch mehr möglich. Teilen Sie die Meinung der Projektgegner, dass Stuttgart21 eine Weiterentwicklung des Schienenverkehrs im Großraum verbaue?

Dieses Argument ist gewaltig hochstilisiert worden. Die absehbare Zahl von Zügen, die hier fahren, wird aber noch lange unter den geforderten 49 in der Spitzenstunde bleiben. In Baden-Württemberg werden noch immer sehr kurze Züge gefahren, in der Schweiz sind sie doppelt so lang oder noch länger. Man wird also erst mal mehr Wagen anhängen. Da ist ja auch noch viel Luft in dieser achtgleisigen Anlage. Zusätzliche Zugbestellungen kosten ja Geld, auch die Mittel dafür sind nach oben begrenzt.

Aber Sie sagen, dass Ihre Kombilösung ja sogar noch billiger sei als Stuttgart21.

Ja. Ganz salopp formuliert, kann man sagen, die Länge der Tunnel würde sich um etwa die Hälfte vermindern, der Tiefbahnhof wäre schmaler und kürzer. Die Kombilösung würde deshalb nur etwas mehr als die Hälfte von Stuttgart21 kosten.

Was ist mit den Kosten für die nötige Erneuerung des Gleisvorfeldes im Kopfbahnhof?

Die kommen noch dazu. Hier werden ja die sagenhaftesten Zahlen herumgereicht. Wir gehen davon aus, dass die Gesamtkosten inklusive Gleiserneuerung zwischen zweieinhalb und drei Milliarden Euro liegen werden. Man könnte die Kombilösung auch Schritt für Schritt bauen: die Erneuerung des Kopfbahnhofs erst, wenn die Fernbahngleise im Tiefbahnhof liegen. Dann muss man nicht unter dem rollenden Rad bauen, wie das bei K21 der Fall wäre. Das bringt dann enorme Kostenersparnisse.

Nach Ihrer Rechnung wäre die Kombivariante durch größere Effekte und geringere Kosten um den Faktor drei bis vier besser als Stuttgart21.

Der Faktor liegt wohl näher bei drei als bei vier.

Die Kombilösung wäre aus Ihrer Sicht also etwa dreimal so gut wie Stuttgart21?

Ja, was die eisenbahntechnische Seite betrifft. Jetzt kommen aber noch die ebenso gewichtigen Aspekte des Städtebaus dazu.

Das war einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die Experten vor etwa 15 Jahren die Kombilösung verworfen haben.

Da müsste man wissen: Wer waren diese Experten? Auf welche Zahlen, auf welche Kriterien wurde dieses Urteil aufgebaut? Ich kenne die Dokumente dazu nicht. Den damaligen Beschluss müsste man historisch aufarbeiten. Es wäre sinnvoll, die Argumente von damals und die von heute nebeneinander zu stellen. Ich behaupte mal ganz salopp: Die profunden Kenntnisse, wie man sie durch den Stresstest gewonnen hat, hatte man damals sicher nicht.

Sie sagen, heute würde man sich für Kombi und gegen Stuttgart21 entscheiden?

Dies zu behaupten, wäre eine Spekulation, weil ich nicht weiß, was man damals wusste. Nur so viel: wir haben von 1990 bis 1992 zusammen mit den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und der Deutschen Bahn eine große Pilotstudie "Integraler Taktfahrplan Südwestraum" gemacht. Diese Erkenntnisse waren damals erst am Aufkeimen. All das, was man hinterher an integralen und vernetzten Fahrplänen umgesetzt hat, das war bestimmt bei der Beschlussfassung für Stuttgart21 noch nicht bekannt. Das hat die Eisenbahnlandschaft in Baden-Württemberg fundamental geprägt.

Aber noch mal zum Städtebau: ist es verwerflich, ein Projekt zu planen, an dessen Ende einer im Kessel liegenden Stadt 100 Hektar Land spendiert werden?

Stuttgart21 ist ein Kind seiner Zeit. Es gab etwa ein halbes Dutzend solcher 21er-Projekte, unter anderem in München, Mannheim und Frankfurt. Die damalige Überlegung war absolut richtig und Stuttgart21 deshalb ein hochinteressanter Ansatz, weil man wertvollen Stadtraum gewinnt und damit gleichzeitig die neuen Bahnanlagen finanzieren kann. Die Geschichte hat aber gezeigt, dass diese deutlich teurer werden als gedacht. An dieser Stelle muss man das Thema Geld im Städtebau aber auch etwas relativieren. Es geht im Städtebau nicht nur um Geld, es geht auch um Räume und Freiräume. Es gibt viele Städte auf der Welt, denen das Aufräumen von hässlichen Eisenbahnanlagen viel Geld wert war und ist. Insbesondere in Spanien hatte die dortige Bahn in vielen Städten eine zerschneidende Wirkung. Dort kann man beobachten, wie Stadt um Stadt diese Wunden ausgemerzt werden. Es gibt auch immaterielle Werte, die einen Preis haben dürfen. Am Schluss muss dann abgewogen werden.

Wie bewerten Sie im Vergleich mit S21 und der Kombivariante das Konzept K21?

Zu K21 kann ich mich nicht äußern, damit habe ich mich nie befasst. Ich würde sagen, jetzt sind drei Vorschläge auf dem Tisch, die man ergebnisoffen prüfen sollte. Dann wird man bald zum Thema Zeitplan kommen, also zur Frage: Welches Projekt braucht wie viel weitere Vorbereitung? Da kann man sagen, Stuttgart21 ist zu 100 Prozent gesichert, über die Kombinationslösung kann ich keinen Prozentsatz nennen, bei K21 müsste man bei null anfangen.

Aber auch wenn man Ihren Kompromissvorschlag verwirklichen wollte, müsste man mit den Planungen doch von vorne beginnen.

Die Haltung, dass man mit allen Verfahren wieder auf der Position null wäre, kann ich nicht unwidersprochen lassen. Das ist noch nicht untersucht. Die Kompromisslösung verwendet lauter bereits bewilligte Elemente von Stuttgart21, aber nicht alle. Ich habe noch nie gehört, dass man wegen des Weglassens von Projektteilen ein neues Raumordnungsverfahren braucht.

Wie müsste die Debatte aus Ihrer Sicht nun in nächster Zeit weitergehen?

Das Konzept ist nur ein Weg, keine Lösung. Die Perspektiven, die die Kombilösung bietet, sind noch gar nicht ausgelotet. Aber das darf man von einem Konzept nicht erwarten. Das muss nun vertieft werden.

Was sagt die Bahn dazu?

Ich weiß es nicht. Es herrscht gegenwärtig angespanntes Warten. Die Frage ist, wer macht den ersten Schritt. Wenn ich Bahn-Vorstand Volker Kefer in der Schlichtung aber richtig interpretiert habe, dann sagt er, das ganze politische Umfeld habe sich geändert und man müsse mit dem Projektpartner Land einen Weg finden.

Die Bahn ist jedenfalls nicht glücklich, dass Sie und Heiner Geißler die Pläne für Stuttgart21 öffentlich torpedieren.

Das wird falsch dargestellt. Denn große Teile von Stuttgart21 würden bestehen bleiben bei der Kombilösung. Den Fildertunnel könnte man trotzdem auffahren.

Wie lange haben Sie am Stresstest gearbeitet und wie viel Zeit haben Sie für das Kombikonzept aufgewendet?

In den Stresstest für Stuttgart21 haben wir etwa 3000 Arbeitsstunden gesteckt, für die Kombilösung 25 bis 30 Stunden.

Bekommen Sie dafür Geld?

Die Frage stelle ich mir nicht. Ich habe mich vielleicht einfach von Heiner Geißler anstecken lassen - und der hat kein Geld.

Was sagen Sie, wenn Stuttgart21 doch weitergebaut wird?

Das würde ich nicht zum ersten Mal erleben. Nicht der Berater entscheidet.

Aber Sie würden den Verantwortlichen raten, noch mal in sich zu gehen und sich dann für die Kombivariante zu entscheiden?

Als Berater würde ich ihnen das empfehlen. Man sollte noch mal ganz ergebnisoffen an die Sache rangehen.

Wie lange würde das dauern?

Gegen Ende des Jahres müsste man die Erkenntnisse zusammenhaben.