Wolfgang Treiber hat seine eigene Firmenphilosophie und will seine Großbäckerei nicht als Fabrik, sondern aus Manufaktur verstanden wissen: Täglich verlassen sie zwischen 130 bis 150 verschiedene Artikel – gebacken mit mineralisiertem Wasser und naturbelassenem grobem Salz.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Steinenbronn - Gut Ding will Weile haben. Das gilt besonders beim Backen. „Das Wichtigste neben dem Handwerk ist die Zeit“, charakterisiert Wolfgang Treiber, der Chef der gleichnamigen Großbäckerei mit Firmensitz in Steinenbronn (Kreis Böblingen), die Inhaltsstoffe schmackhafter Backwaren. Mancher Teig arbeitet bis zu 24 Stunden, und deshalb tragen etliche grüne Plastikcontainer in der Backstube den Schriftzug: „Pssst! Dieser Teig ruht.“ Andere Teige werden überrumpelt, und ihre Gärzeit wird mithilfe von Kälte unterbrochen. „Nachts müssen wir keine Schneckennudel mehr drehen“, erklärt der gelernte Bäcker den 30 Laien, die bei der Sommerferienaktion der Stuttgarter Zeitung eine abendliche Führung durch seinen Betrieb gewonnen haben. Die süßen Stückle und manche Kuchen werden schon am Nachmittag vorbereitet, kommen in die Kühlung und warten am Abend auf Blechen darauf, dass sie in den Ofen kommen.

 

Die Kunden wollen hell Gebackenes

Ganz anders Brot und Brötchen, sie werden nachts von Hand geformt. Die exakte Mixtur sowie Ruhezeiten und Backtemperatur erscheinen auf dem Bildschirm des Bäckerei-Computers. Der Teig des Bauernbrotes beispielsweise muss eine Stunde in der Kesselgare gehen, dann wird er aufgeschlagen. Danach braucht er eine weitere Dreiviertelstunde seine Ruhe. Wenn die Laibe geformt sind, geht er für eine Stunde in den Ofen. Aber die Öfen sind eine Wissenschaft für sich. Treibers Faustregel: „Für jedes Brot den passenden Ofen.“ Die verschiedenen Sorten haben unterschiedliche Krusten: dick, dünn, dunkel gebacken oder hell gebacken. „Die Leute wollen heute fast nur noch hell gebackene Ware“, bedauert Treiber, denn geschmacklich sei dunkles Brot interessanter. „Ich finde sogar altbackenes Brot aromatischer“, gesteht StZ-Leser Walter Froeling und erntet damit Beifall beim Fachmann Treiber: „Da haben Sie vollkommen recht.“

Täglich werden 25 000 Brezel produziert

Bei 130 bis 150 Artikeln je nach Wochentag – darunter 25 000 Brezeln – ist es eine logistische Herausforderung, dass morgens um 6 Uhr alle 31 Filialen und sechs Bäckerei-Cafés mit frischem Backwerk versorgt sind. Das Siebenmühlental mit seinen Kurven stellt eine zusätzliche Herausforderung für die Fahrer dar: „Die Strecke ist für jede Torte tödlich“, scherzt der Chef. „Wenn ich in der Bäckerei stehe, habe ich noch nie daran gedacht, wie viele Arbeitsgänge und wie viel Logistik hinter den Waren stecken“, sagt Helga Ruess. Sie ist beeindruckt, dass in der Großbäckerei noch so viel in Handarbeit gemacht wird.

Blick vom Konferenztisch in die Backstube

Ursprünglich sind die Treibers Echterdinger Urgesteine. Mehr als 90 Jahre war der Betrieb dort ansässig. Doch die hohen Grundstückspreise waren es, die der Expansion hier entgegenstanden. „Diese Summen kann ich mit Brötchen und Brezeln nicht wieder reinholen“, rechnet der Inhaber vor. Trotz der stattlichen Größe der hochmodernen Bäckerei mit 15 000 Quadratmetern verstehen sich die Treibers nicht als Fabrik, sondern als Backmanufaktur. In dem architektonisch imposanten Bauwerk im Gewerbegebiet von Steinenbronn hatten die 30 Gewinner vom verglasten Konferenzraum, der wie eine Galerie über der Backstube liegt, den Blick auf Rührschüsseln, Teigwalzen und Öfen, während Treiber launig seine Firmenphilosophie erklärte. Die wurde von ihm und seiner Ehefrau Evelyn in dritter Generation zu dem gemacht, was sie heute ist und wird von seiner Tochter Katharina Fischer fortgeführt. Sie ist für das Marketing zuständig, und so wie es aussieht, könnte Treiber auch in der fünften Generation ein Familienbetrieb bleiben. Denn vor wenigen Wochen kam das dritte Enkelkind zur Welt. Bei der Führung war es im Tragesäckchen mit dabei und roch den süßlichen Geruch von Hefe in der warmen, aber auch lauten Backstube. Hoch über den Tischen und Öfen ziert sie ein skizziertes Panorama der Region: im Osten Esslingen, im Nordwesten Mercedes-Benz, im Norden das Stuttgarter Rössle und die Staatsgalerie.

Alle Füllungen und Snacks sind hausgemacht

„Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen“, heißt es in einem Kinderlied. Zu den sieben Sachen der Backmanufaktur gehören zwar auch Butter und Schmalz, Milch und Mehl, darüber hinaus ist es aber der unternehmerische Anspruch, der Treiber-Produkte im Preiskampf gegenüber den Billiganbietern und dem allgemein rückläufigen Umsatz bei Brot und Brötchen bestehen lässt. „Wir mineralisieren sogar unser Wasser“, verrät der Chef. Das besorgen Bergkristall, Rosenquarz und Amethyst. „Da können Sie jetzt sagen, ich sei ein Spinner“, sagt er lachend. „Aber durch dieses Wasser bleiben unsere Backwaren länger frisch.“

Backmischungen und Konservierungsstoffe sind tabu, ebenso Gelatine. Dafür wird in Steinenbronn mit Mehl aus Hohenlohe gebacken und mit grobkörnigem, handgeschöpftem Salz aus der ältesten Saline Portugals gewürzt. „Wenn Sie davon etwas auf Ihr Frühstücksei geben, schmecken Sie den Unterschied zu herkömmlichem Salz.“ Treiber ist nicht nur Bäcker, sondern auch Hobbykoch. Alle Füllungen für Kuchen und Torten sowie die Soßen, Suppen und Salate für die boomenden Snackbars werden selbst zubereitet. Die StZ-Leserin Sonja Oesterle-Walter interessiert sich für gutes Essen und für gesunde Ernährung. Sie schwärmt zum Abschluss des nächtlichen Rundgangs bei der Bäcker-Schicht am Freitagabend: „Am liebsten würde ich hier ein Praktikum machen.“

Am Dienstag
bauen Kinder bei der Sommerferienaktion Flöße auf dem May-Eyth-See.