Was haben die Elite der internationalen Orchester und Günter Grass’ Blechtrommler gemeinsam? Sie spielen auf Schlaginstrumenten aus Uhingen. Von dort beliefert die Firma Kolberg Percussion die ganze Welt.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Uhingen - Valentin ist schon ganz hibbelig. Ziemlich genaue Vorstellungen hat der Zwölfjährige davon, was ihn bei Kolberg Percussion in Uhingen (Kreis Göppingen) erwartet, zum Beispiel eine Windmaschine. So eine, wie sie in Richard Strauss’ „Alpensinfonie“ pfeift und heult und zischt. Valentin Stockinger spielt Klavier und kennt sich schon bemerkenswert mit Musik aus. Aber die Welt, die Jasmin Kolberg ihren 30 Gästen dann präsentiert, hat nicht nur ihn zum Staunen gebracht.

 

Kolberg Percussion, das ist in der Szene der klassischen Schlagzeuger ein ganz großer Name. In 50 Ländern ist die 1968 von Bernhard Kolberg gegründete Firma vertreten, die Berliner Philharmoniker gehören zu den Kunden, die Opéra National de Paris, die Wiener Philharmoniker, das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, das Bolschoi-Theater Moskau und die Metropolitan Opera New York – schon die gekürzte Liste der Referenzen würde den Umfang dieses Artikels sprengen.

Zwei Standbeine

Dabei hat alles ganz klein angefangen. „Aus dem Nichts“, sagt Jasmin Kolberg, hat ihr Vater die Firma im Jahr 1968 gegründet. Der gebürtige Oberschlesier, Jahrgang 1942, hat auf Drängen seiner Mutter, einer Pianistin, erst „was Rechtes“ gelernt und war deshalb Maschinenbautechniker geworden. Anschließend studierte er in Stuttgart Schlagzeug, spielte dort zwölf Jahre unter anderem im Radiosinfonie- und im Opernorchester und absolvierte dann noch eine Ausbildung zum Trommelbauer. Das theoretische Rüstzeug und die praktischen musikalischen Erfahrungen bestimmen bei Kolberg Percussion die beiden Standbeine des Unternehmens.

Zum einen gibt es im Bereich klassisches Schlagzeug nahezu nichts, was es bei den Uhingern nicht im Sortiment gibt. „Wir sind die Einzigen, die alles auf Lager haben und von heute auf morgen liefern können“, sagt Jasmin Kolberg. Und zum anderen hat sich die Firma auf das weite Feld des Orchesterzubehörs spezialisiert. Vom selbst entwickelten Schlägel- und Instrumentenhalter, kombinierbar im Baukastensystem, über Stühle und Pulte für sämtliche Orchestermitglieder bis hin zu Flight-Cases, also Luftfrachtkoffern für alle Instrumentengrößen, reicht das Angebot.

Eine Trommel für Stockhausen

Mag dieses Zubehör den Musikern einen aufgeräumten Arbeitsplatz ermöglichen und den Rücken schmerzfrei halten, so stehen beim Besuch der StZ-Leser natürlich in erster Linie die Instrumente im Mittelpunkt: die Trommeln, die Pauken, die Triangeln, die Rasseln, die Gongs, Tamtams, die Glocken, die Europäer, die Exoten, die Großen, die Kleinen – schlicht alles, was ein Komponist für seine Komposition an Schlagwerk vorschreiben mag, bekommt er in Uhingen. Und sei es als Sonderanfertigung. Karlheinz Stockhausen etwa bekam von Bernhard Kolberg eine ganz bestimmte Trommel, und auch seine nicht minder berühmten Kollegen Hans Werner Henze, Pierre Boulez, Iannis Xenakis und Krzysztof Penderecki sind oder waren immer wieder im Filstal zu Gast.

Auf 6000 Quadratmetern produziert die Firma – teils ganz traditionell wie bei der Herstellung der Kupferkessel für die Pauken, teils hochmodern mit CNC- und Lasertechnik. Rund 4000 Artikel umfasst das Sortiment, wobei das Prinzip gilt: was selber herzustellen ist – zum Beispiel die Flaggschiffe Kesselpauke und Marimba, auf der Jasmin Kolberg auf internationaler Ebene schon große Erfolge feierte –, wird selbst hergestellt. Was traditionell anderswo produziert wird – etwa burmesische Gongs – wird importiert und unter dem Label Kolberg vertrieben.

Das Prinzip Nachhaltigkeit

Wichtig ist Jasmin Kolberg das Prinzip der Nachhaltigkeit: wo möglich, werden heimische Hölzer verwendet, und bei der Galvanik haben sich die Kolbergs für einen teueren, aber umweltfreundlicheren Weg entschieden: diese Aufträge werden in Deutschland vergeben. „Wir werden zum Teil von Konkurrenten ausgelacht: seid ihr noch nicht in China“, sagt Jasmin Kolberg, „aber wir hoffen, dass wir das halten können – wegen uns soll kein Fluss umkippen.“

Für Valentin und die anderen Kinder ist das am Tag des Besuchs aber weniger interessant. Angeleitet von Jasmin Kolberg und ihrer Mitarbeiterin Marion Hafen – ebenfalls einer studierten Schlagzeugerin – dürfen sie kräftig auf die Pauke hauen. Beziehungsweise auf die Gongs, die Glocken, die Marimbas, die Celestas und natürlich auf die große Trommel mit dem vielsagenden Namen „Dicke Berta“. Und wie es klingt, wenn ein Profi am Instrument steht, zeigt Jasmin Kolberg zum Schluss noch in einem exklusiven Kurzkonzert. Claude Debussy, Eric Sammut und Astor Piazolla hat die Marimba-Virtuosin ausgesucht – und das Publikum ist begeistert.

Vater Armin Stockinger übrigens sieht Valentins Interesse an Percussion mit etwas gemischten Gefühlen – nicht, dass der Bub jetzt am Ende vom Klavier aufs Uhinger Schlagwerk wechseln will, sagt er mit einem Grinsen.

Die berühmteste Trommel der Welt



Immerhin: in bester Gesellschaft wäre der Zwölfjährige dann. Denn die wohl berühmteste Trommel der Welt stammt ebenfalls aus dem Filstal: Volker Schlöndorff hat sich Ende der 1970er Jahre für seine „Blechtrommel“-Verfilmung ein knappes Dutzend der rot-weiß gezackten Instrumente bauen lassen. Und seit neuestem ziert dieses Stück Filmgeschichte auch das Logo von Kolberg Percussion. Wenn das nicht voll Grass ist.