Auf dem Sommerfest des Zentrums selbstbestimmt Leben geht es ums Feiern und um Politik. Und so spricht man auch über die Dinge, die in Stuttgart und Berlin auf der Agenda stehen, wie etwa das Teilhabegesetz. Vielen Behindertenverbänden geht der Entwurf von Sozialministerin Andreas Nahles nicht weit genug.

S-West - Wolken am Himmel sind eine Sache der Interpretation. So erklärte Reinhard Möhrle, der ehrenamtliche Bezirksvorsteher von Stuttgart-West, auf dem barrierefreien Sommerfest des Zentrums selbstbestimmt Leben Aktive Behinderte in Stuttgart (ABS – ZsL): „Wir hatten mal Hitze, mal Regen, heute ist die Temperatur gerade richtig!“ Wie üblich stand die Feier unter einem Ländermotto, diesmal die Karibik. Unter bunten Sonnenschirmen und Lichterketten ließen sich Mitglieder, Helfer, Freunde und Besucher karibische Köstlichkeiten und Drinks wie Caipirinha schmecken. „Beim Sommerfest geht es vor allem darum, fröhlich zu sein“, sagte Friedrich Müller, der erste Vorsitzender des ABS – ZsL.

 

Kaum Rücklagen

Aber freilich geht es nie ganz ohne Politik. Und so sprach Müller Dinge an, die in Stuttgart und Berlin auf der Agenda stehen, wie etwa das Teilhabegesetz. Vielen Behindertenverbänden geht der 360 Seiten dicke Entwurf aus dem Haus von Sozialministerin Andreas Nahles nicht weit genug. Hintergrund: Bisher konnten Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe beziehen, nur 2600 Euro auf ihrem Konto haben. Alles darüber, auch das Einkommen des Partners, wurde angerechnet. Das zentrale Anliegen der Verbände sowie der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Paralympics-Siegerin Verena Bentele: Einkommens- und Vermögensgrenzen ganz abzuschaffen. So könnten auch Menschen, die Assistenz benötigen, ebenfalls Geld für Urlaub oder Altersvorsorge zurücklegen oder sich ein Auto anschaffen. Das erlaubt die derzeitige Gesetzeslage nicht. Die Vermögensgrenzen aufzuheben, würde laut Berechnungen 580 Millionen Euro kosten. Im Nahles-Entwurf ist der Vermögensfreibetrag lediglich angehoben. Ab dem Jahr 2017 sollen sie 25 000 Euro betragen und in einem zweiten Schritt ab 2020 auf knappe 53 000 Euro steigen.

Persönlich Assistenz

„Das mag sich viel anhören“, sagt der ZsL-Vorsitzende Friedrich Müller. „Aber es entspricht keinesfalls den Empfehlungen der Vereinten Nationen, um die UN-Behindertenrechtskommission umzusetzen: Es ermöglicht keine Teilhabe am Leben, ist keine Gleichstellung mit Menschen ohne Behinderung.“ Wer beispielsweise mit dem Partner eine Wohnung kaufen wolle, sei schnell bei 50 000 Euro. Müller moniert zudem, dass geplant sei, eine Assistenz auf mehrere Menschen mit Behinderung aufzuteilen, statt jemandem eine persönlich Assistenz zuzugestehen.

Auch die Neubesetzung der Stelle des Landesbehindertenbeauftragten Baden-Württemberg beschäftigt seinen Verein. „Dieser sollte nicht wie bisher ehrenamtlich, sondern hauptamtlich tätig sein, weil die Aufgaben sonst nicht zu erledigen sind.“ Über den noch jungen Landesbehindertenbeirat werde man sich hier und in anderen Anliegen einbringen. Dass der ZsL Stuttgart auf vielen Ebenen so rührig ist, begrüßte Bezirksvorsteher Möhrle. In Gesprächen und auf Stadtteilbegehungen bekäme man wertvolle Tipps, wie Quartiere barrierefrei gestaltet würden. „Das kommt auch der Mutter und dem Vater mit Kinderwagen zugute“, sagte Möhrle. Und der Sommerfestgast Stefan Kaufmann, CDU-Bundestagsabgeordneter, sicherte zu, die Anregungen des ZsL in Berlin einzuspeisen. „Wir müssen im Herbst einen Knopf an das Teilhabegesetz machen, aber der Finanzminister muss auch sein ‚Go’ geben.“