Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Der Flecken, der zu Enzweihingen und damit zu Vaihingen/Enz gehört, hat sieben Höfe. Es gibt Schweinemast und Pferde. Die Reicherts hatten bis 1993 noch 50 Kühe im Stall – und haben sie „sieben Tage in der Woche gemolken“, wie Renate Reichert lachend sagt. Sprich: gearbeitet haben die beiden, die jetzt gut 50 Jahre verheiratet sind, mehr als genug in ihrem Leben. Jeden Tag sind sie um spätestens um sechs Uhr aufgestanden. Zusätzlich war Gustav Reichert auch noch ein Landwirtschaftspionier. Er sei der erste Bauer in Baden-Württemberg gewesen, sagt er, der seine Kühe selbst künstlich besamt hat. 12 000 Liter Milch hat eine 1972 gegeben und wurde damit die „Kuh des Jahres“. Damals sei das gut gewesen. Heute gibt es hochgezüchtete Kühe, die weitaus mehr Milch geben. Diesen Wettlauf machen die Reicherts nicht mehr mit. Der 75-Jährige hat stattdessen lange Jahre auf Zuckerrüben und Weizen gesetzt. Das tut er auch heute noch, weil ihm das Arbeiten keine Last ist und er es als Lebenselixier braucht.

 

Die Blumen, die hinter dem Haus wachsen, landen in der eigenen Vase oder bei der Tochter. Die Gurken, die im Minigewächshaus hinter ihrem Wohnhaus reifen, sind direkt für den eigenen Teller bestimmt. „Ich ernte mein Abendbrot immer frisch“, sagt Gustav Reichert. Und hinter dem ehemaligen Kuhstahl wühlen heute fünf Schwäbisch Haller Landschweine zufrieden im Matsch.

Paradiesische Zustände

Irgendwann werden sie das Zeitliche segnen. „Das Fleisch verkaufen wir nicht“, sagt Renate Reichert. Es sei nur für den Eigenverzehr bestimmt. Und die beiden Dartmoor Ponys, die auf der Wiese vor dem Haus das Gras der Wiese unaufhörlich verschlingen, sind bei den Reicherts auf dem Altenteil, seit die Kinder sie nicht mehr zum Reiten nutzen. Nachts kommen die Ponys in den ausgedienten Kuhstall. Tagsüber stehen sie draußen. Und zwar so lange, bis sie nicht mehr sind. Paradiesische Zustände – auch für die Tiere.

Wobei die Idylle im wörtlichen Sinn auch Risse hat. Im unmittelbaren Umfeld Pulverdingens verläuft im Muschelkalkuntergrund die ICE-Trasse. Wenn der Zug durch die Erde braust, vibrieren bei den Reicherts die Gläser im Schrank. Für die Risse in den Wänden haben sie keine Entschädigung bekommen. „Wir wohnen zehn Meter zu weit weg vom Tunnel“, sagt der Landwirt. Inzwischen sind die Risse durch eine Isolierung abgedeckt. Die Züge hören die Reicherts nicht mehr. „Wir haben uns mit den Jahren daran gewöhnt.“ Pulverdingen kehrt man nicht so einfach den Rücken.