Die Sportstätten für die Olympischen Spiele in Rio sind fast fertig. Die große Frage ist aber, was nach dem Mega-Ereignis kommt.

Rio de Janeiro - Die Sportstätten werden rechtzeitig fertig, und die Kosten halten sich im Rahmen – so chaotisch wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft geht es bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro nicht zu. Und dennoch drohen die Spiele von Rio zu Krisen-Spielen zu werden. Das Fußballfest vor anderthalb Jahren sei Brasiliens „vertane Chance“ gewesen, wettert Rio de Janeiros Bürgermeister Eduardo Paes. Bei den Olympischen Spielen im August müsse das Land beweisen, dass es „nicht nur Korruptionsskandale und Klauereien, nicht nur Planungslosigkeit und geplatzte Fertigstellungstermine“ zustande bringe. Es ist kein Geheimnis, dass Paes 2018 Staatspräsident werden will.

 

Eine schönere Empfehlung als gelungene Spiele ist dafür kaum denkbar, und tatsächlich: Sieben Monate vor Beginn der Spiele sind die Sportstätten zu 95 Prozent fertig. Und wenn die Kosten in letzter Zeit korrigiert wurden, dann minimal; bei 38,4 Milliarden Reais stehen sie, also bei 8,7 Milliarden Euro. Niemand, der den Brasilianern „in den Hintern treten“ will, so wie 2012 der damalige Fifa-Generalsekretär Jerôme Valcke. Stattdessen gibt es Lob vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach.

2009 florierte die Wirtschaft noch

Dass die Spiele dennoch zu Krisen-Spielen zu werden drohen, liegt an der Krise, die Brasilien so stark schüttelt wie seit den 80er Jahren nicht mehr. Als Paes 2009 in Kopenhagen vor Freude in die Luft sprang, weil Rio den Zuschlag erhielt, florierte die Wirtschaft. Vom Tsunami der Weltwirtschaftskrise kam in Brasilien nur ein „Plätschern“ an, so der damalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Aber es hat sich längst ausgeplätschert.

Die Wirtschaft wird 2016 um 3,5 Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit liegt bei über acht, die Inflation bei mehr als zehn Prozent. Jeder Dollar, der in Olympia gesteckt wird, werde zwei weitere Dollar Investitionen nach sich ziehen, hieß es 2009. Solche Zauberkunststücke haben schon bei der WM nicht geklappt, und auch jetzt redet niemand mehr davon.

Olympia dauert nur zwei Wochen und ist auf eine Stadt beschränkt, schon deshalb sind die Auswirkungen der Spiele begrenzt. Und jetzt, da die Stadien und Straßen, die Busspuren und Bahnlinien fast fertig sind, klingt auch die Baukonjunktur ab. Es ist keine Überraschung, aber Sorge bereitet es trotzdem: Bis zu 35 000 Leute könnten in Rio entlassen werden, wenn Olympia fertig ist, schätzt der Verband der Bauindustrie. Zwar hat die Stadtverwaltung ein Nach-Olympiaprogramm in der Schublade. Aber wo die sechs Milliarden Euro für all die Kläranlagen und Straßen herkommen sollen, steht in den Sternen. Olympia ist das letzte in einer Kette von Mega-Ereignissen der vergangenen Jahre, und nun stellt sich die Frage, was danach kommen soll.

Hat Rio zu viele Hotelzimmer?

London habe 2013 zwölf Prozent mehr Touristen empfangen als im Olympiajahr davor, sagen die Optimisten, die hoffen, dass das in Rio auch so sein wird. Aber London ist London. Ob Rios Verwandlung in eine Sport- und Eventstadt tatsächlich gelingt, ist offen, auch wenn für 2017 schon große Konzerte und Shows gebucht sind. Hat Rio zu viele Hotelzimmer? 28 000 zählte die Stadt im Jahr der Olympiaentscheidung; damals war die Rede davon, für die Olympiawochen einige Kreuzfahrtschiffe als Quartiere anzumieten. Laut Hoteliersverband werden im August 62 000 Hotelzimmer zur Verfügung stehen, plus weitere 33 000 private Unterkünfte.

Das Problem ist, dass die Krise die vor einigen Jahren angestellten Marktanalysen zu Makulatur gemacht haben könnte. Der Immobilienmarkt hat sich völlig verändert. In Dollar oder Euro gerechnet sind Wohnungen oder Büros, die noch 2010 in Rio zu den teuersten der Welt zählten, mittlerweile erschwinglich. Die Krise hat die Nachfrage gedämpft. Während die Wohnungen, die für die Sportler der Panamerikanischen Spiele 2007 gebaut wurden, weggingen wie warme Semmeln, haben sich die Apartments im Olympischen Dorf bisher als Ladenhüter erwiesen. Von den mehr als 3600 Wohnungen in 31 Hochhaustürmen sind nur 230 verkauft. Der Fußball lockte 2014 rund eine Million Ausländer, während Olympia höchstens eine halbe Million anziehen wird.

Olympiatouristen haben eine engere Bindung zum Sport

Aber das schreckt die Ökonomen nicht. Von denen, die 2014 kamen, waren viele aus den Nachbarländern, die nicht viel ausgaben und oft nicht einmal Geld für die Karten hatten. Anders bei Olympia: da werden Leute mit mehr Geld und höheren Ansprüchen erwartet. Angefangen von den Verwandten der rund 10 000 Athleten über die Sponsoren bis zu den Interessenten an nur einer Sportart, hätten die Olympiatouristen eine engere Beziehung zum Ereignis, sagen Tourismusexperten.

Auch wenn Bürgermeister Paes die Spiele als Wendepunkt in der Geschichte der Stadt preist, wird die Bilanz wohl zwiespältig ausfallen. Positiv ist die Modernisierung des Verkehrs; ein System von Busspuren und die U-Bahn-Verlängerung waren dringend notwendig. Trotz aller Luxus-Sanierung wird man auch die Aufmöbelung des Hafenviertels auf der Habenseite verbuchen. Aber die Sanierung der Guanabara-Bucht ist gescheitert – die Fische sterben wie eh und je. Und ob unter den Sportstätten nicht manche weiße Elefanten sind, wird sich erst 2017 zeigen. Die WM-Stadien sind bisher wenig ausgelastet. In der Amazonas-Arena in Manaus wurden 2015 nur 13 Spiele ausgetragen, die Einkünfte von 158 000 Euro erwirtschafteten. Die jährlichen Unterhaltskosten des Stadions betragen aber 1,67 Millionen Euro.