Die Entwicklung des Spargelanbaus in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Seit 1998 hat sich die heimische Anbaufläche fast verdoppelt. Gleichzeitig sind die Importe aus dem Ausland zurückgegangen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Karlsruhe - Wie eine zu groß geratene Wurstpelle wölbt sich die Plastikfolie auf dem teilweise noch schneebedeckten Feld. Draußen weht ein ungemütlicher Wind, der auch ein paar Schneeflocken mitgebracht hat. Im Inneren des begehbaren Folientunnels ist davon nichts zu spüren. Hier ist es deutlich wärmer als im Freien, obwohl es keine Heizung gibt. Die angenehmeren Temperaturen rühren nur von den Sonnenstrahlen her, die ab und zu durch die Wolken dringen. Sechs mit schwarzer Folie bedeckte Erddämme ziehen sich bis ans Ende des Foliendachs, das nur durch einen leichten Überdruck in Form gehalten wird

 

Franziska Gerber wirft einen prüfenden Blick unter die Folie. Nur vereinzelt sind ein paar weiße Punkte zu sehen – die ersten Spargelspitzen, die sich bis zur Oberkante des Damms vorgearbeitet haben. Ein Erntehelfer legt die weißen Stangen vorsichtig mit der Hand frei und sticht mit dem Spargelmesser zu. Anschließend befüllt er das Loch wieder mit Erde und streicht den Damm mit einer Kelle glatt. Von einem nennenswerten Ertrag kann man allerdings in den kalten Tagen vor Ostern noch nicht sprechen. „Das ist eher wie Pilze suchen“, witzelt Franziska Gehrer, die in Durmersheim bei Karlsruhe zusammen mit ihren Eltern und ihrem Lebensgefährten einen Spargelbetrieb bewirtschaftet.

Der hartnäckige Winter verzögert die Ernte

Durch den in diesem Jahr besonders hartnäckigen Winter verzögert sich die Ernte des begehrten Gemüses auch im Foliengewächshaus. „Im vergangenen Jahr haben wir Mitte März den ersten Spargel gestochen“, sagt die 26-Jährige. In diesem Jahr dürfte es erst am Osterwochenende und damit rund zwei Wochen später richtig losgehen. Dann ruft Gehrer in Rumänien an, um die restlichen Erntehelfer anzufordern. Bis zu 100 Saisonkräfte arbeiten jedes Jahr für den Betrieb – für 6,40 Euro die Stunde zuzüglich einer Erfolgsprämie, die sich nach der Erntemenge richtet. Der erste heimische Spargel erzielt wegen des knappen Angebots auch die höchsten Preise: Liebhaber zahlen für beste Ware 20 Euro pro Kilo und mehr. Später bewegen sich die Preise dann schnell nach unten. Im vergangenen Mai lag der Tiefpreis bei 5,90 Euro.

Deshalb treiben die Landwirte einigen Aufwand, um so früh wie möglich die ersten Stangen ernten zu können. Neben dem Foliengewächshaus der Gehrers ist ein Teil der benachbarten Anbaufläche mit so genannten Minitunneln aus Folie bedeckt, durch die sich der Boden schneller erwärmt. Auf einem kleinen Block hat Seniorchef Rainer Gehrer die Bodentemperaturen der letzten Tage in 40 Zentimeter Tiefe notiert. „Erst um die 17 Grad herum geht es richtig los“, sagt er. Am Montag vor Ostern stehen nur gut 14 Grad auf seinem Block.

Umweltschützer kritisieren Bodenheizungen beim Anbau

Einige Landwirte begnügen sich nicht mit dem Anbau unter Folie. Sie beheizen den Boden mit Abwärme oder einer Hackschnitzelheizung. In den badischen Anbaugebieten kenne er allerdings keinen Betrieb, der solche Methoden einsetzt, sagt Karl Martin Vielhauer von der Obst- und Gemüse-Vertriebsgenossenschaft Nordbaden (OGA) in Bruchsal. In Bayern und im Rheinland gebe es einzelne Spargelbauern, die mit Bodenheizung arbeiteten. Umweltschützer kritisieren diese energieintensive Anbaumethode. Der Anteil beheizter Flächen sei aber insgesamt „verschwindend gering“, sagt Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE).

Die Entwicklung des deutschen Spargelanbaus in den vergangenen Jahren ist eine Erfolgsgeschichte. Seit 1998 hat sich die Anbaufläche nahezu verdoppelt. Im vergangenen Jahr wurde auf gut 19 000 Hektar Spargel produziert. Dazu kommen knapp 4500 Hektar, die noch keine Erträge liefern, weil es bis zu drei Jahre braucht, bis auf neu angelegten Feldern der erste Spargel gestochen werden kann. Längst rangiert Spargel in der Rangliste der in Deutschland angebauten Gemüsearten noch vor Karotten und Zwiebeln auf dem ersten Platz – allerdings nur bei flächenmäßiger Betrachtung. Niedersachsen ist mit gut 4000 Hektar der größte Spargelproduzent in Deutschland. „Inzwischen wird Spargel nicht nur auf sandigen Böden angebaut“, sagt Schumacher. Schwerere Böden mit höherem Lehmgehalt haben jedoch den Nachteil, dass sie sich nicht so schnell erwärmen.

Drei Viertel des Spargels stammen aus Deutschland

Parallel zur Fläche ist auch die im Inland produzierte Spargelmenge gewachsen. Im vergangenen Jahr lag sie bei gut 100 000 Tonnen. Der Selbstversorgungsgrad ist vergleichsweise hoch: Rund drei Viertel des in Deutschland verzehrten Spargels stammen von heimischen Produzenten, die Importe sind zurückgegangen und haben sich auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Die wichtigsten ausländischen Lieferanten sind Griechenland, Spanien und Peru. Auch die Gehrers haben ihre Spargelflächen in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet. Aus den anderthalb Hektar, mit denen Gehrer senior im Jahr 1973 angefangen hat, sind inzwischen knapp 40 Hektar geworden, davon rund drei Hektar unter Folie.

Der VSSE-Geschäftsführer Schumacher führt den gestiegenen Marktanteil der deutschen Spargelbauern auch auf die Anstrengungen für einen früheren Erntebeginn zurück: Je früher deutsche Ware am Markt ist, desto weniger ausländischer Spargel wird nachgefragt. Gleichzeitig akzeptierten viele Verbraucher bei Spargel – anders als bei anderen Obst- und Gemüsearten –, „dass es sich hier um ein saisonales Angebot handelt“.

Regionalität wird als Verkaufsargument immer wichtiger

Der Genossenschafter Vielhauer freut sich zudem darüber, dass Regionalität als Verkaufsargument immer wichtiger werde – „das gilt bis hin zu den Discountern“. Bei Spargel seien Frische und kurze Transportwege besonders wichtig. Die Gehrers fahren bei der Vermarktung zweigleisig. Rund ein Viertel der Erlöse erwirtschaftet der Betrieb durch den Direktverkauf im eigenen Hofladen, der Rest geht an die OGA. Die Genossenschaft bündelt das Angebot von rund 30 Betrieben und beliefert damit den Einzelhandel.

Aber nur bis zum 24. Juni, dem traditionellen Ende der Spargelsaison. „Dann müssen sich die Pflanzen erholen und wieder Kraft für das nächste Jahr sammeln“, sagt Franziska Gehrer. Nach der Ernte wächst das grüne Spargelkraut in kurzer Zeit bis zu zwei Meter hoch. Im nächsten Frühjahr beginnt dann wieder das Warten auf die begehrten Stangen.