Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, ist Sozialdemokrat mit arabischen Wurzeln und Moslem. Und er ist stolz auf sein Deutschland. Deshalb will er sich sein buntes, offenes Land nicht von Pegida kaputt machen lassen.

Berlin - Raed Saleh versteht nicht, warum sich Muslime immer wieder vom Terror distanzieren sollen. Deutschen unterstelle man doch auch nicht, mit dem NSU-Terror zu sympathisieren.

 
Herr Saleh, Sie selbst sind Einwandererkind und Moslem. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Pegida-Märsche beobachten, auf denen Menschen Schilder hochhalten, auf denen zu lesen ist „Islam = Karzinom“?
Die Bilder, die gerade durch die Medien gehen – und zwar weltweit – sind beschämend für Deutschland. Sie zeichnen ein hässliches Bild der Gesellschaft, das überhaupt nicht zu meinem Deutschland passt. Deutschland ist ein wunderbares, vielfältiges, buntes Land, auf das ich stolz bin. Wir haben eine Kultur der Offenheit, die die Grundlage bildet für kommende Generationen. Wir sind das Land von Goethe und Schiller, das Land, das sich immer wieder neu entdeckt. Dieses Land, das wir alle gemeinsam definieren wollen, lasse ich mir nicht von diesen Leuten kaputt machen.
Wie erleben Sie das als Moslem persönlich? Werden Sie wütend?
Meine Religion ist meine Privatsache, ich bin säkularer Moslem. Aber der Schaden für die Gesellschaft ist das eigentliche Problem, und das macht mich wütend. Ich bin dann in solchen Momenten stolz, deutscher Sozialdemokrat zu sein. Ich werde diesen Pseudo-Patrioten nicht die Deutungshoheit überlassen. Wir sind die Patrioten, wir lieben unser Land, seine weltoffene Gesellschaft. Als Demokraten müssen wir jetzt die nationale Identität neu definieren als etwas, das unabhängig von Religion oder politischer Ausrichtung die Gesellschaft zusammenhält.
Die Kanzlerin hat unlängst zum ersten Mal den Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wiederholt: Der Islam gehört zu Deutschland. Wieso hat das immer noch Empörungswert?
Verstehe ich auch nicht, denn die Kanzlerin hat recht. Sie beschreibt eine schlichte Tatsache. Empörend ist ja eigentlich vor allem, dass sich in der Union immer noch so viel Widerstand regt. Das ist Realitätsverweigerung. Ich wünsche Frau Merkel, dass sie die Kraft hat, ihre Position durchzuhalten. Sie weiß, dass wir die Menschen nur als Ganzes mitnehmen können, wenn wir eine nationale Identität erzeugen wollen. Ich bin deutscher Sozialdemokrat arabischer Abstammung muslimischen Glaubens. Mich gibt es nur als Ganzes, das gehört alles zu meiner Identität.