Sicherheit schlägt gerade alles andere – das nicht gerade Ihr zentrales Thema. Wie wollen Sie da Profil gewinnen?
Der Staat muss wehrhaft sein. Er muss der Bevölkerung vermitteln, dass er ihre Sicherheit ernst nimmt. Die Polizei macht bei uns eine sehr gute und deeskalierende Arbeit. Gesetzliche Lücken müssen geschlossen werden. Aber nach Anschlägen immer gleich das nächste Gesetz zu fordern, in dem dann steht, was man sowieso immer schon machen wollte, bringt wenig. Vor allem glaube ich, dass man innere und soziale Sicherheit miteinander verknüpfen muss. Uns muss es gelingen, dass auch über die Themen gesprochen wird, die die Menschen im Alltag betreffen, sonst werden wir die Wahl nicht gewinnen.
Macht Grün-Schwarz das Richtige für die Sicherheit?
Kretschmann ist als Mann der Mitte angetreten. Nach seinem Spruch zur Abschiebehaft von Gefährdern: „Wir sind bereit, dabei notfalls an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen zu gehen“, dachte ich aber: Bei dem Thema ist er jetzt echt rechts außen gelandet. Mich überraschen die Grünen, weil es ja eher CDU-Politik ist, die da gemacht wird. Sie nehmen das klaglos hin.
Sollte man stärker in die nordafrikanischen Länder und nach Afghanistan abschieben?
Das haben wir so beschlossen. Ich sehe es aber ein Stück weit kritisch, weil eine Abschiebung in sichere afghanische Gebiete schwer zu bewerkstelligen ist.
Wie wollen Sie der SPD künftig die weißen Flächen im Land erschließen?
Es gibt einige Regionen ohne SPD-Abgeordnete. Im Bundestag sind wir in 20 von 38 Wahlkreisen, im Landtag in 19 von 70 Wahlkreisen vertreten. Von Biberach bis zum Bodensee und im Südschwarzwald ist wenig SPD zu sehen. So müssen wir Regionen ohne Abgeordnete auf niedrigschwellige Art helfen, Präsenz zu zeigen. Luisa Boos klärt, was konkret gebraucht wird. 2018, nach der Bundestagswahl, schauen wir, wie wir die Partei strukturell ein Stück weit anders aufstellen.
Wird es mehr Mitgliederentscheide geben – vielleicht sogar unter Einbeziehung von Parteisympathisanten?
Wir wollen mehr Mitgliederentscheide, vor allem zu inhaltlichen Fragen. Zu den Freihandelsabkommen hätte es sich beispielsweise angeboten. Aber es dürfen keine künstlich inszenierten Voten sein, bei denen es eigentlich nichts zu entscheiden gibt. In der Debatte wollen wir auch Nichtmitglieder einbeziehen. Aber abstimmen sollten nur diejenigen, die sich auch zur SPD bekennen.
Wäre es gut gewesen, wenn sich mehrere Genossen um die Kanzlerkandidatur beworben hätten und die Partei dazu einen Mitgliederentscheid veranstaltet hätte?
Natürlich wäre das gut, aber so viele Bewerber sind ja nicht da. Obwohl wir genug gute Leute haben, die dafür in Frage kämen.
Wie kommt es, dass die sich alle nicht getraut haben?
Wenn die Leute nicht springen wollen, kann man sie auch nicht zwingen.
Können Sie sich vorstellen, dass sich die SPD geschlossen hinter einem Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel versammeln würde?
Aber natürlich. Er ist ein Typ, er weckt Emotionen, er kann die Partei und Menschen begeistern. Und Gabriel hat als Wirtschaftsminister einen guten Job gemacht – zum Beispiel bei der Tengelmann-Fusion, wo er viele Arbeitsplätze gerettet hat.
Gleichwohl hat Gabriel das große Manko, im Direktvergleich mit Angela Merkel sehr schlechte Umfragedaten zu haben.
Wir hatten Steinmeier und Steinbrück, die als Kanzlerkandidaten zu Beginn ihrer Wahlkämpfe die wunderbarsten Umfragewerte hatten. Und heraus kamen schlechte Wahlergebnisse für die SPD. Dann machen wir das jetzt mal andersherum. Entscheidungen fallen aber erst Ende des Monats.
In welcher Koalition will die SPD den Kanzler stellen – am liebsten mit Rot-Rot-Grün?
Es gibt für den Bundestagswahlkampf zwei klare Vorgaben: Wir werden niemals mit der AfD koalieren. Und wir wollen bloß keine Fortsetzung der Großen Koalition mehr. Mit CDU und CSU kann man nichts Großes mehr in unserem Sinne zustande bringen – keine Bürgerversicherung, keine vernünftige Rentenreform, keine stärkere Besteuerung der Großverdiener und wirklich Vermögenden. Alles andere muss sich zeigen – je nachdem, wie der Souverän entscheidet.