Am Donnerstag kommt der teils in Stuttgart gedrehte Spielfilm „Ohne Dich“ ins Kino. Mehrere herbe Schicksale werden darin verflochten. Katja Riemann spielt eine Todkranke.

Stuttgart - Treffen sich zwei werdende Mütter im Umstandsmodengeschäft. Plappert die eine, obwohl sie ihr Gegenüber gar nicht kennt, vertraulich drauf los: „Bei dir ist es auch bald soweit, oder? Bei mir ist es noch eine Woche, aber ich habe das Gefühl, der kleine Racker kann es kaum abwarten.“ Entgegnet die andere angewidert: „Hast du eigentlich keine Freunde?“

 

So witzig geht es in Alexandre Powelz Episodendrama „Ohne Dich“ zugegebenermaßen selten zu. Aber kann eine Geschichte, die vom Sterben, ungewollter Schwangerschaft, unerfüllter Liebe und einer Depression handelt, überhaupt komisch sein? Sie dürfte es, aber „Ohne Dich“ strebt nicht nach dem offenen Witz, sondern nach der tieferen Verbindung von Heiterem und Düsterem.

Düstere Lebensumstände leicht erzählt

„Komik ist Tragik in Spiegelschrift“, fand einst der amerikanische Schriftsteller James Thurber, und es scheint, als folge der Regisseur Alexandre Powelz dieser Idee. Obwohl die Figuren unter schweren emotionalen Lasten wanken, geht es vor allem ums Prinzip Hoffnung. Hebamme Rosa (Katja Riemann) hat Krebs und wird bald sterben. Motte (Helen Woigk), eine minderjährige, mittellose Kellnerin, hat sich von ihrem besten Freund Neo (Arne Gottschling) schwängern lassen. Der wiederum ist sich über seine sexuelle Orientierung nicht ganz im Klaren. Und Layla (Meral Perin), Rosas Putzfrau, kann das Ende ihrer Beziehung zu Navid nicht verkraften.

Powelz will leicht und facettenreich von düsteren Lebensumständen erzählen, doch klappt das nicht immer. Sein Drehbuch, das er zusammen mit der Co-Autorin Alexandra Umminger entwickelt hat, verbindet drei Frauenschicksale in einem zu vorhersehbaren Reigen miteinander. In mal schlagfertigen, mal flachen Dialogen werden die Härten des Lebens beredet. „Hast du Angst vor dem Tod?“, fragt Marcel (Charly Hübner) seine krebskranke Frau Rosa (Katja Riemann) einmal. Sie: „Wie soll man vor etwas Angst haben, das man nicht kennt?“

Sterben macht das Leben intensiv

So ganz nehmen wir Rosa diese zur Schau gestellte Abgebrühtheit nicht ab, gibt Powelz ihrer Todesangst doch viel Raum: Rosa schreit und heult, zerdeppert Geschirr und kotzt ihr Mittagessen aus. Tiefe Verzweiflung wechselt sich ab mit aus dem Nichts herbeigeholter Lebensfreude. Plötzlich lacht Rosa, tanzt und kifft mit ihrem Mann Marcel.

Was sich im Inneren eines Schwerkranken abspielt, das ist für Nichtbetroffene schwer vorstellbar, Powelz und Umminger versuchen mutigerweise, dafür treffende Worte und Bilder zu finden. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn das Siechtum zwischendurch beinahe romantisiert wird. „Beim Sterben ist das Leben am intensivsten“, lautet ein flauer Kalenderspruch, den die Autoren der Todgeweihten in den Mund legen.

Die Wortwahl der schwangeren Motte fällt dagegen schnodderig und knapp aus und überzeugt schon eher. Die Figur löst sich aber nicht vom Klischee einer verantwortungslosen, minderjährigen Mutter. Zwar entscheidet sich Motte nach einem Quickie mit Neo, das ungewollte Kind auszutragen und zur Adoption freizugeben. Trotzdem haut sie sich die Nächte in der Disco um die Ohren und raucht Kette. Das zufällige Aufeinandertreffen zwischen Motte und Rosa verläuft wie nach einem Lehrbuch, Motte hat es mit der Raucherei übertrieben und Rosa öffnet ihr die Augen für eine neue Perspektive.

Die Nachtbilder der Stadt gelingen eindringlich

Am schwächsten arbeitet das Drehbuch die Rolle der Layla heraus. Die Sprache der Putzfrau türkischer Abstammung ist klar aber einfach. „Für die Liebe würde ich alles tun“, gesteht sie Marcel. Der ahnt nicht, dass Layla nach der Arbeit ihrem Ex-Freund auflauert.

Der Film, der unter anderem an verschiedenen Drehorten in Stuttgart entstand und die Szenerien der Stadt besser zu nutzen weiß als einschlägige „Tatort“-Folgen, besticht vor allem durch die Kamera von Eeva Fleig. Besonders Nachtbilder gelingen Fleig eindringlich atmosphärisch, wenn sie zum Beispiel Motte in einen unwirtlichen Club folgt. „Ohne Dich“ möchte unbequem sein, Tabus brechen und Mut machen. Leider wecken Alexandre Powelz und Alexandra Umminger einfach zu große Erwartungen. Am Ende reduziert sich nämlich alles auf eine einzige, ein wenig banale Einsicht: Das Leben geht weiter!

„Ohne Dich“: Deutschland 2014. Regie: Alexandre Rockwell. Mit Katja Riemann, Charly Hübner, Helen Woigk, Arne Gottschlink, Stephanie Schönfeld. 90 Minuten. Ab 12 Jahren.