Für die kommende Saison hat sich die Stuttgarter Tri-Bühne aktuelle Themen vorgenommen: Finanzkrise, Griechenland und Grundeinkommen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Eigentlich ist es eher Sache der Spitzenmanager, durch die Welt zu jetten. Aber auch Edith Koeber und ihr Team von der Tri-Bühne haben inzwischen einige Flugkilometer auf dem Buckel. Viele Jahre hat sich das Stuttgarter Theater gen Osteuropa orientiert, inzwischen ist auch die Kooperation mit Kollegen aus Afrika ein fester Bestandteil der Theaterarbeit. Die Tri-Bühne steht in engem Austausch mit Henning Mankells Teatro Avenida in Maputo. "Das ist eine nachhaltige Partnerschaft", sagt Koerber und wird bald wieder die Koffer packen. Das Teatro Avenida feiert im November sein 25-jähriges Bestehen - und die Tri-Bühne ist eingeladen und wird "Kämpferische Träume" spielen.

 

Das Stück dreht sich um das bedingungslose Grundeinkommen in einem Dorf in Mosambik. Ein Thema, das Koerber länger beschäftigt - und auch in der nächsten Spielzeit eine Rolle spielen wird. Sie hatte einen Stückewettbewerb zum Grundeinkommen initiiert und wird einen der Preisträgertexte nun uraufführen: "Ein Geld muss her!" von Walther Vögele. Der 49-Jährige ist als Drehbuchautor in Berlin tätig, sein Stück dreht sich um den Witzbold Franz, der keinen Job findet, für Niedriglohn arbeiten soll und als Faulpelz beschimpft wird. "Das war für mich persönlich das überzeugendste Stück", sagt Koerber, "weil es im Stil der Commedia dell'Arte geschrieben ist". Premiere wird am 7. Dezember sein.

Blinder Optimismus ad absurdum

Die kommende Spielzeit steht unter dem Motto "Vom Leben in der besten aller möglichen Welten". Koerber will mit ihrem Programm nichts beschönigen, sondern auf Missstände in der Gesellschaft hinweisen. "Der Demokratiebegriff ist uns als Grundlage wichtig", sagt sie - und will weiterhin deutlich Stellung beziehen. "Die neoliberale Marktwirtschaft geht auch auf die Theater über", sagt sie, "es werden immer mehr Manager gesucht, und es wird wichtiger, wie sich Theater vermarkten". Ein Trend, dem sie sich nicht unterwerfen wolle. "An der Idee des poetisch-politischen Theaters halten wir fest", sagt sie. So schreibt Géza Révay gerade an einem Text über die Banken und die Finanzkrise in Griechenland - der anders als die Wirklichkeit aber lustig werden soll und als ein Satyrspiel im Anschluss der "Antigone" aufgeführt wird, die bereits im Programm ist.

Eröffnet wird die Saison am 8. Oktober mit der Premiere "Top Dogs" von Urs Widmer, einem Stück über gefeuerte Spitzenmanager, die in einem Trainingslager zukunftstauglich gemacht werden sollen. Neu ist die Inszenierung von LÖszlí Bagossy nicht. 2004 war die Produktion des Katona-Jízsef-Theaters aus Budapest in der Tri-Bühne zu Gast, jetzt wird Bagossy sie mit hiesigen Schauspielern einstudieren. Bagossy wird auch "Candide" nach Voltaire inszenieren, in der Novelle wird der blinde Optimismus des jungen Helden wieder und wieder ad absurdum geführt.


Mit "Hoimetaberau" wagt sich die Tri-Bühne auf Neuland. Das preisgekrönte Stück von Franz-Xaver Ott vom Theater Lindenhof wird auf Schwäbisch gespielt werden, ein Novum in der Tri-Bühne und "eine Ausnahme", so Koerber, die der Regisseurin Christine Gnann diesen Herzenswunsch nicht abschlagen wollte.

Zum Abschluss der nächsten Spielzeit geht es dann wieder um ein für das Haus typisches Thema: Geld. Edith Koeber wird "Den Spieler" inszenieren nach dem Roman von Dostojewski, den GézÖ Révay dramatisieren wird und der von einem Hauslehrer handelt, der in der Kurstadt Roulettenburg zwar erst bei Roulette ein Vermögen gewinnt, dafür aber seine Liebe verspielt. Der Roman ist zwar bereits im 19. Jahrhundert erschienen, habe aber durchaus "Ähnlichkeiten zur Kasinomentalität spezieller Herrschaften von ökonomischer Bedeutung".


So stellt man sich das ideale Theater vor: Es reagiert auf aktuelle Missstände und bezieht kritisch Stellung. Die Tri-Bühne und ihre Intendantin Edith Koerber sind ganz auf der Höhe der Zeit. Klassiker werden auf die Gegenwart gemünzt, und es entstehen Stücke zum bedingungslosen Grundeinkommen oder zur Gesundheitsreform. Für Koerber ist klar: Sie will in die Gesellschaft hineinwirken - ganz direkt.

Im Theater ist aber auch eine gelegentliche Runderneuerung erste Pflicht, weshalb der Schauspielchef Hasko Weber oder die Rampe-Intendantin Eva Hosemann sogar von sich aus gehen werden, weil zu viel Routine der Kreativität im Weg stehen kann. Umso größer ist die Herausforderung für Koerber, die die Tri-Bühne 1975 mitbegründet hat und sie seit 1982 leitet. Sie sucht immer wieder nach neuen Impulsen und Kontakten, trotzdem trägt das Haus unverkennbar ihre Handschrift und hört man aus vielen Stücken ihre politische Ansicht unverhohlen heraus.

Zur Meinungsbildung anregen

Das ist riskant, denn ob man ihre Weltanschauung teilt oder nicht, Agitprop sollte nicht daraus werden. Die Tri-Bühne muss aufpassen, dass sie nicht Klientelpolitik für Gesinnungsgenossen macht und sich Künstler und Besucher nur gegenseitig in ihrem Protest bestätigen.

Damit die Tri-Bühne ein künstlerisch anspruchsvolles Theater bleibt, muss Koerber den feinen Grad streng austarieren, damit Meinung nicht vorgegeben, sondern zur Meinungsbildung angeregt wird. Es ist eine von der öffentlichen Hand finanzierte Bühne, die niemand aus politischen Gründen ausgrenzen sollte. Dass mit dem schwäbischen Volkstheater "Hoimetaberau" ein neuer Akzent im Spielplan gesetzt wird, ist ein gutes Signal. Tagesaktuelles politisches Theater ist wichtig, sich aber zu sehr darauf zu kaprizieren, könnte die Lebendigkeit eines Hauses schnell ersticken.