Matthias Opdenhövel in der "Sportschau", Sven Voss im "Sportstudio" - die TV-Moderatoren werden jünger und sollen frischen Wind bringen.

Stuttgart - Als Matthias ( "Opde") Opdenhövel noch ein junger Spund beim Teeniesender Viva war, hat er einmal Bono interviewt, und der singende Frontmann der Rockband U2 starrte ihm auf die Füße und staunte neidisch: "Die sehen ja aus wie italienische Schnellfickerschuhe." Am Samstag hatte Opde andere an. Er ist jetzt bei der "Sportschau". Da trägt ein Moderator allenfalls ein neckisches Kinnbärtchen, auf jeden Fall aber andere Schuhe, denn er hat andere Zuschauer - und auch seine Zwiegespräche führt er mit anderen, nicht mehr mit Bono, Bon Jovi, Kylie Minogue oder den Toten Hosen.

 

Am Samstag beispielsweise war es Daniel Frahn. Der hatte am Vorabend den VfL Wolfsburg aus dem Pokal geballert, mit drei Toren für RB Leipzig, den vom Getränkehersteller Red Bull gesponserten Sachsenclub, und Frahn erzählte, dass er nicht habe schlafen können, selbst morgens um fünf noch nicht. "Klar", so Opdenhövel, "Sie kommen ja günstig an diese Dosen ran, die einen wachhalten."

Neue Kundschaft in der U50-Gruppe

Dafür haben sie Opde geholt. Dass er frische Luft reinbringt in die alte, miefige Tante "Sportschau". Lange verstanden sich die "Sportschau"-Moderatoren als bloße Ansager - bis man sich als Fußballfreund daheim auf dem Sofa fragte, welches Bein einem wohl zuerst einschläft. Zufrieden waren nur wir Alten und Scheintoten, wir wollten nur den Ball rollen sehen. Für neue Kundschaft soll Opdenhövel jetzt sorgen, in der Zielgruppe U50.

Und der Trend galoppiert. Die TV-Moderatoren im Sport werden stündlich jünger - fast unmittelbar nach dem ARD-Debüt des 40-jährigen Opdenhövel hat das ZDF am Samstag den 35-jährigen Sven Voss im "Sportstudio" eingeführt. Der hat gegenüber Wolf-Dieter Poschmann den Vorteil, dass er dessen Sohn sein könnte, und deshalb hat Sportchef Dieter Gruschwitz ("Wir wollen einen Generationswechsel vollziehen") den Vorgänger von Voss zwar nicht gleich in den Ruhestand verbannt, aber dafür in die Abgeschiedenheit eines Reporterstuhls, wo der Zuschauer nicht merkt, dass Poschmann jeden Tag runzliger wird und ranziger riecht. Nein, es ist nicht so, dass Poschmann wegen ekliger Altersflecken keinen Applaus mehr bekommen hätte.

Für einen Lachanfall ins "Sportstudio"

Die Vorklatscher im "Sportstudio" waren schon immer die Besten - und auch Voss kann sich darauf weiter verlassen, jedenfalls gab es bei seinem Einstandsgespräch mit Sebastian Kehl selbst für die größten Belanglosigkeiten oft den erstaunlichsten Beifall.

Etwas angespannt wirkte der Neue beim Debütantenball. Bisher war er beim Bob und Rodeln oder bei der Frauen-WM im Fußball, aber das ist jetzt Männerfußball, es wird ernst, und er hat Kehl so oft gefragt, was man denkt, wenn man dauernd verletzt ist, bis der Meisterkicker es nicht mehr hören konnte - "also gut", sagte Voss darauf und schleppte sich samt seinem Studiogast mit den letzten Kräften zur Torwand. Da tritt einer ein schweres Erbe an, denn oft genug hat es sich in der Vergangenheit samstags gelohnt, vom "Wort zum Sonntag" für einen Lachanfall hinüberzuzappen ins "Sportstudio".

"Danke, es war reizend"

Entweder sagte Carmen Thomas Schalke 05, oder Dieter Kürten besorgte einen Schimpansen, der dann der Frau des Hollywood-Tarzans und Schwimm-Olympiasiegers Jonny Weissmüller das Zweithaar vom Kopf riss. Oder Rainer Günzler fragte den Boxprinzen Norbert Grupe alias Wilhelm von Homburg, wie es ist, wenn man am Abend zuvor die Batterie vollgehauen bekommen hat. Jeder anständige Sportfan kann dieses Interview von 69 noch heute aufsagen:

Günzler: "Wie fühlen Sie sich nach den fünf Niederschlägen von gestern Abend?" Grupe: "Die waren gestern Abend?" Günzler: "Ja, gestern, abends. Wie geht es Ihnen, gut?" Grupe: "Heute geht's mir wieder gut." Günzler: "Sie haben sich den Knöchel verletzt, sind Sie umgekippt?" Grupe schweigt. Günzler (zum Publikum): "Er ist umgekippt, er hat es vorhin erzählt. Kann man es als Mut bezeichnen, dass Sie gegen Oscar Bonavena gekämpft haben?" Grupe schweigt. Günzler: "Ich fand Sie in der zweiten Runde besser, muss ich Ihnen sagen, als jetzt. Denn da taten Sie was. Jetzt schweigen Sie." Grupe schweigt. Günzler: "War der Gewichtsunterschied zu groß?" Grupe schweigt. Günzler: "Dann gestatten Sie mir vielleicht eine weitere Frage: Was machen Sie demnächst, boxen Sie weiter, gehen Sie nach Amerika, werden Sie wieder Schauspieler?" Gruppe bleibt stumm. Günzler: "Auch nicht. Ich danke für das Gespräch. Es war reizend." So schlagfertig kann ein "Sportstudio"-Moderator sein.

Das Publikum schlug Purzelbäume

Durch alle Kanäle suchen sie jetzt nach Moderatoren, die den Spaß nicht untertreiben. In der Bundesligashow "Samstag Live!" des Pay-TV-Senders Sky sorgt künftig der Komödiant Oliver Pocher für Halligalli, und sogar "Bild" fragt besorgt: "Pöbel-Pocher als Fußball-Experte?" - dabei erfüllt der alle Voraussetzungen, von der großen Klappe bis zu seinem üppigen Fußballfundus als bekennender Fan von Hannover 96.

Frischer denn je geht es künftig auch im "Doppelpass" von Sport1 zu, dort ersetzt der bekannte Fußballclown Mario Basler den 76-jährigen Udo Lattek, der sechzehn Jahre lang als Chefanalyst allen zeigte, wo der Hammer hängt und notfalls sein zündendstes Argument auspackte: "Du hältst jetzt mal deine Klappe!". Das Publikum schlug Purzelbäume.

Ein Moderator dient der Volksgesundheit

Da hat es Opdenhövel schwerer. Wo sich anderswo das ganze Studio für einen Weckspruch wie den über Red Bull brüllend am Boden wälzen würde, hört er in der zuschauerfreien Zone der "Sportschau" gar nichts. Aber er ist ein alter Show-Fuzzy, Songwettbewerbe hat er moderiert oder die Sat1-"Quiz-Show", und auch als ehemaliger "Schlag-den Raab"-Moderator weiß er, was der durchschnittliche Deutsche an Humor erwartet. Und an Klartext. Opdenhövel sagt sich: Ich habe vor Bono, Campino oder Smudo von den Fantastischen Vier nicht gekuscht - warum soll ich vor Uli Hoeneß die Hände an die Hosennaht legen?

Jedenfalls hat er als ehemaliger Stadionsprecher von Borussia Mönchengladbach vor Jahren die alte Rivalität mit den Bayern wieder aufflackern lassen und im damaligen Bundesligasender "Arena" den Hoeneß einmal interviewt mit einer Tapferkeit, die er seinem Grundwehrdienst im Panzeraufklärungsbataillon 7 in Augustdorf verdankt - aus allen Rohren haben die zwei aufeinander geschossen, bis Hoeneß fauchte: "Sie können noch hundertmal solche provokativen Fragen stellen, ich werde dazu nichts sagen." Am Ende bedankte sich der TV-Quälgeist lästerlich "für die sehr informativen Aussagen - und schöne Grüße und alles Gute".

Opdenhövels Devise: ein Moderator dient der Volksgesundheit, denn Lachen reinigt die Zähne. Als er nach der Pokalsensation in Leipzig jetzt das griesgrämige Gesicht von Peter Pacult sah, dem siegreichen Trainer, staunte er schlagfertig: "Der schaut, als ob ihm einer das Fahrrad geklaut hat." So sieht der moderne Moderator aus: ein fetziger Spruch für die Jungen - und wir Alten schalten halt notfalls das Hörgerät kurz auf stumm.