Im Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeisterschaften, ist die Wahl von Clemens Prokop ins IAAF-Council gescheitert. Der Frust im deutschen Verband sitzt tief und die Frage lautet: Ist die Dopingdebatte in Deutschland schuld?

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Peking - Helmut Digel hatte mäßige Laune, als er nach Tagesordnungspunkt 8.6 in den Vorraum des China National Convention Center kam. Die wichtigsten Wahlen des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) waren gelaufen, Sebastian Coe wurde neuer Präsident und auch die Plätze im Council, der Regierung der IAAF, waren vergeben. Digel saß dort 20 Jahre drin, nun kandidierte er bekanntlich nicht mehr, weil Clemens Prokop gerne ins Council wollte. Doch der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) schaffte es nicht, er bekam im zweiten Wahlgang nur 45 Stimmen.

 

Deutschland ist als einer der wichtigsten Leichtathletikmärkte der Welt damit nicht mehr in der Schaltzentrale der Sportart vertreten, was Digel empörte: „Kandidaten, die nicht für Antidopingkampf stehen, bekommen die meisten Stimmen – das stimmt mich bedenklich“, sagte Digel. „Es ist schon überraschend, dass die höchsten Stimmenpakete Leute aus dem arabischen Raum erreicht haben, obwohl sie so gut wie über keine Leichtathletikstrukturen verfügen. Sie tun eigentlich für die Sportart gar nichts.“

Wenig später kam dann auch Clemens Prokop ins Foyer. Gerüchte machten da schon die Runde, dass am Vorabend ein Kandidat aus dem arabischen Raum goldene Uhren verteilt habe. „Ich habe nur von irgendjemandem eine Krawatte bekommen“, sagte Prokop schmunzelnd. Er habe nur goldene Tüten gesehen und wollte sich nicht weiter an Spekulationen beteiligen. Er habe aber eben auch nicht den gleichen zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand wie andere betreiben können, sagte der Direktor des Amtsgerichts Regensburg.

Dopingdebatte als K.o.-Kriterium?

Neben seinem übersichtlichen Wahlkampf und Bekanntheitsgrad, könnte auch das Thema Doping eine Rolle gespielt haben. Die Berichterstattung in Deutschland über Doping in der Leichtathletik soll zumindest die Kandidatur Prokops auch nicht gerade gestärkt haben, heißt es. Viele Nationen seien genervt von der Debatte, und damit von Deutschland, wo in Form der ARD zuletzt mehrfach schwere Anschuldigungen erhoben wurden.

Warum solle man dann ausgerechnet dem deutschen Kandidaten die Stimme geben, mutmaßte Digel. Ob das eine Rolle gespielt habe, wisse er natürlich nicht, sagte Clemens Prokop, aber: „Die Deutschen werden als Oberlehrer empfunden, die den Maßstab in Ethik setzen wollen.“

Der neue Maßstab in der IAAF ist nun Sebastian Coe. Er steht vor großen Herausforderungen, und die entscheidende Frage, so Helmut Digel, sei: „Ist dieser Verband zu Reformen bereit?“ Und ist es Sebastian Coe? So ganz klar ist das nicht. Er hat zwar viele Baustellen identifiziert in der IAAF. Den Antidopingkampf würde er zum Beispiel gerne in unabhängige Hände geben, um jeglichen Anschein von Vertuschung zu verhindern. „Alles, was wir machen, basiert auf Vertrauen.“ Er stehe für „zero tolerance“. Fraglich ist, ob der Kampf um einen sauberen Sport auch der Kampf der IAAF-Mehrheit ist. „Die meisten Mitglieder haben ganz andere Erwartungen als Deutschland“, sagte Digel. Coe möchte auch am Terminkalender arbeiten und im Zweifel das eine oder andere verändern, um die Leichtathletik attraktiver zu machen, vor allem für ein jüngeres Publikum, das der olympischen Kernsportart verloren geht. Grundsätzlich aber, so sagte Coe, übernehme er eine starke IAAF, und Lamine Diack sei für „immer der spirituelle Präsident“.

Von Diack lernen, heißt Wahlen gewinnen

Von dem hatten die beiden Bewerber zumindest gelernt, wie man Wahlen gewinnt. Mit den Kleinen. Die sind zwar nicht groß, aber eben viele. Coe wie auch Sergej Bubka, der weiter Vizepräsident ist, hatten um deren Stimmen geworben, indem sie Entwicklungsprogramme in ihrer Prioritätenliste ganz oben ansiedelten und mit finanzieller Unterstützung lockten, zum Beispiel für die Einrichtung von Geschäftsstellen. Coe hatte ursprünglich 100 000 Dollar in Aussicht gestellt, Bubka soll dann auf 120 000 Dollar erhöht haben, am Mittwoch versprach Coe allen Föderationen über die nächsten vier Jahre 200 000 Dollar, insgesamt 42,8 Millionen Dollar. Für den DLV ein schwaches Trostpflaster.