Mit Leidenschaft betreibt der Staatsanwalt Brice Robin die Aufklärung des Absturzes von 4U 9525. An knifflige und harte Fälle ist der 63-Jährige gewöhnt: Bislang war der Kampf gegen Marseilles Drogen- und Killerbanden sein Terrain.

Stuttgart - Wenn jemand über den Gang der Ermittlungen im Bilde sein sollte, dann doch er, der Chefermittler aus Marseille. Keine 30 Helikopterflugminuten von der Absturzstelle in den französischen Seealpen entfernt, trägt der über ein 40-köpfiges Team gebietende Staatsanwalt in Absprache mit den deutschen Kollegen zusammen, was zur Aufklärung der Katastrophe beitragen könnte. Aber, und das versetzt Brice Robin regelmäßig in Rage, ständig prescht jemand vor und reicht angeblich neue Erkenntnisse zum Absturz des Germanwings-Flugzeugs, die aus Sicht Robins keine sind. So verbringt der im Kampf gegen Marseilles Drogen- und Killerbanden gehärtete 63-jährige Jurist kostbare Arbeitszeit damit, den Wildwuchs der Spekulationen zu beschneiden.

 

Der Jurist tritt den Spekulationen entgegen

Nein, es gebe bisher keine Videos von den letzten Minuten an Bord des Airbus 320, tritt er am Dienstag Berichten der deutschen Bild-Zeitung und des französischen Magazins Paris Match entgegen, die das Gegenteil behauptet hatten. Für den Fall, dass jemand ein solches Video besitze, bitte er darum, es ihm unverzüglich zukommen zu lassen. Das Ärgerlichste: Der aus der Champagne stammende Fahnder kann sich nie ganz sicher sein, ob er tatsächlich auf dem neuesten Stand ist, ob die Medien nicht doch mehr wissen als er.

Am Anfang der Untersuchungen war das so gewesen. Da hatten die „New York Times“ nach der Bergung des ersten Flugschreibers gemeldet, die Auswertung der Stimmen lege den Schluss nahe, der Co-Pilot Andreas L. habe die Maschine vorsätzlich abstürzen lassen. Robin bat ein paar Stunden später zur Pressekonferenz. Seinen Zorn nur mühsam zügelnd, bestätigte er den Bericht. Gekränkt in seinem Ermittlerstolz ging der Franzose noch einen Schritt weiter als die US-Journalisten und verkündete ohne wenn und aber: „Der Co-Pilot hatte den Willen, das Flugzeug zu zerstören.“ Anschließend weihte Robin dann die Angehörigen der Opfer ein. „Ich bin gegenüber den Angehörigen zu Transparenz verpflichtet und zur Erklärung dessen, was passiert ist“, sagte Robin.

Brice Robin gehört zu den besten seines Fachs

Außer Frage steht, dass er zu den Besten seines Fachs gehört. Bevor er im Sommer 2013 an die Spitze der Staatsanwaltschaft von Marseille berufen wurde, der mit jährlich rund 40 Morden zu traurigem Ruhm gelangten Hafenmetropole, hatte er sich in Montpellier hervorgetan. Wenn sich Spieler des ruhmreichen Handballklubs der Stadt, unter ihnen zu Weltmeisterehren gelangte Idole, demnächst wegen Wettbetrugs vor dem Strafrichter verantworten müssen, ist das nicht zuletzt Robins Verdienst. Schon damals wollte er unbedingt wissen, wie es wirklich war. Eine leidenschaftliche Neugier treibt ihn an. Das letzte Wort zum Drama von Flug 4U 9525 hat Robin bestimmt noch nicht gesprochen.