Selbst wenn man Peymann konzediert, dass er sehr im Sinne der dreißig Künstler handelt, die ihren Vertrag verlieren werden, greift die Generalkritik weniger die Lage der Berliner Kultur auf als viel mehr die Stimmung, die der Streit um die Zukunft der Volksbühne nach dem Abgang des Alt-Intendanten Frank Castorf verursacht hat. Denn Müller und Renner – beide erst seit dem letzten Drittel der Legislatur an Bord – haben einiges erreicht. Der Kulturetat stieg in diesem und steigt im nächsten Jahr auf insgesamt jährlich 400 Millionen Euro, es profitieren auch die freie Szene und Künstlerateliers. Die Besetzung der Intendanz am Gorki mit Shermin Langhoff und Jens Hillje erweist sich als genialer Zug; die Bühne ist gerade erst wieder von Kritikern zum Theater des Jahres gewählt worden. Kulturpolitik in Berlin ist ein schwieriges, weil zerfasertes Geschäft, in dem es gälte, die Fäden zwischen der Kulturarbeit in den Bezirken, der Hauptstadtkultur des Bundes und den landeseigenen Aufgaben zusammenzuhalten. Großentwicklungen wie die Entstehung des noch immer amorphen Humboldt-Forums hinter der Fassade des Berliner Stadtschlosses, über dessen Einfluss auf die „Eventisierung von Kultur“ viel eher zu reden wäre, hat Berlin nur am Rande mitentschieden.

 

Und vor allem: noch immer hat sich die Aufregung darüber, dass Müller und Renner als Nachfolger von Frank Castorf den Ausstellungsmann Chris Dercon von der Tate Modern aussuchten, nicht gelegt. Für die Kritiker ist diese Personalie ausgerechnet an der Ost-identitätsstiftenden Volksbühne ein Beweis just für die „Eventisierung und Marktgängigmachung“ des Theaters. Die Berufung Dercons zeugt jedoch vor allem von der Art Risikobereitschaft, die es braucht, um Veränderung zu bewirken – die Möglichkeit des Scheiterns inbegriffen. Es scheint, dass der Volksbühnenstreit dem Protest des Balletts nun einen Resonanzboden verschafft. Er passt weder zur Personalentscheidung noch zum Ruf des Ensembles.