Bundespräsident Christian Wulff lobt während des Staatsbesuchs des türkischen Präsidenten die guten Beziehungen zu seinem Kollegen.

Berlin - Zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Deutschland hat der türkische Präsident Abdullah Gül den Wunsch nach einem EU-Beitritt der Türkei bekräftigt. "Von diesem strategischen Ziel werden wir nicht abrücken", sagte Gül am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Christian Wulff in Berlin. Die Formulierung "strategische Partnerschaft", die Bundeskanzlerin Angela Merkel der Türkei angeboten hat, lehnt Gül ab. Die Türkei müsse die Chance erhalten, die ins Stocken geratenen Verhandlungen mit der EU erfolgreich abzuschließen.

 

Bundespräsident Wulff sprach von "fairen und ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen". Deutschland habe hier eher eine Vermittlerrolle und sei nicht besonders kritisch gegenüber dem türkischen EU-Beitritt. "Die Türkei muss sich anstrengen, Europa aber auch", sagte Wulff. Er hob die gewachsene internationale Verantwortung der Türkei hervor und forderte, die Veränderungen in der arabischen Welt als Chance zu begreifen. Die Türkei könne mit ihrer Verbindung von Pluralismus und Islam Vorbild sein für arabische und nordafrikanische Länder.

Neues Doppelbesteuerungsabkommen

Beide Seiten hoben den engen und freundschaftlichen Charakter der deutsch-türkischen Beziehungen hervor und kündigten eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit an. Dem Wunsch der Türkei nach Liberalisierung der deutschen Visumpolitik brachte Wulff Verständnis entgegen. Zugleich verteidigte er das von Gül im Vorfeld kritisierte deutsche Einwanderungsrecht, wonach künftige Ehepartner aus der Türkei vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen.

Am Vormittag war Gül vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, mit militärischen Ehren empfangen worden. Auch eine Berliner Schulklasse mit zahlreichen türkischstämmigen Schülern begrüßte den Gast. Im Beisein der beiden Staatsoberhäupter unterzeichneten dann die Finanzminister Wolfgang Schäuble und Mehmet Simsek ein neues Doppelbesteuerungsabkommen. Damit würde der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder weiter beschleunigt, sagte Gül.

Auf dem Programm des türkischen Präsidenten standen am Montag Begegnungen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert und Außenminister Guido Westerwelle sowie mit dem Regierenden Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Am Abend sprach Gül in der Berliner Humboldt-Universität über die Türkei und ihre Rolle in Europa. Am Dienstag trifft Gül mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, bevor er mit Wulff nach Osnabrück, in die Heimatstadt des Bundespräsidenten, weiterreist. Mit der Einladung in seine niedersächsische Geburtsstadt revanchiert sich Wulff für einen Besuch in Güls Heimat Kayseri im vergangenen Oktober.

Religionsfreiheit für Christen in der Türkei

Am dritten Tag von Güls Staatsbesuch in Deutschland steht zunächst ein Empfang im Friedenssaal des historischen Rathauses an, in dem 1648 der Westfälische Frieden geschlossen wurde. Nach einem kurzen Gang durch die Innenstadt wollen Wulff und Gül die Deutsche Bundesstiftung Umwelt besuchen. Zum Abschluss des Besuchs sieht das Programm ein Treffen mit Studenten und Wissenschaftlern des Zentrums für Interkulturelle Islamstudien an der Universität Osnabrück vor. Am Mittwoch besucht er zum Abschluss seines Staatsbesuchs Baden-Württemberg.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat derweil an den türkischen Staatspräsidenten appelliert, Christen in der Türkei die volle Religionsfreiheit zu gewähren. So wie Muslime in Deutschland Moscheen bauen dürften, müsse es auch Christen in der Türkei gestattet werden, Kirchen zu errichten, sagte Kauder in Berlin.

Neue Konflikte zwischen der Türkei und Zypern

Drohung I Im Streit über Ölbohrungen vor Zypern hat die Türkei den Ton verschärft. Sollte die Regierung in Nikosia nicht Abstand von den geplanten Probebohrungen nehmen, werde Ankara innerhalb einer Woche ein eigenes Forschungsschiff entsenden, erklärte Energieminister Taner Yildiz. Dieses Schiff werde von der türkischen Marine begleitet.

Drohung II Der EU droht die Türkei mit einem Einfrieren der Beziehungen, falls Zypern im kommenden Jahr wie geplant die Ratspräsidentschaft übernimmt. In diesem Falle steuere das Verhältnis zwischen der Türkei und der EU auf eine Krise zu, wenn die Friedens-verhandlungen in Zypern bis dahin nicht erfolgreich abgeschlossen seien, sagte der türkische Vizeministerpräsident Besir Atalay.