Seit Januar ist sie Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart. Schon jetzt macht Christiane Lange deutlich, dass sie anpackt, umhängt, renoviert – und dabei sogar noch gute Laune verbreitet. Die StZ-Autorin Adrienne Braun ist ihr begegnet.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Über eines kann sich das Team der Staatsgalerie Stuttgart sicher nicht beklagen: über schlechte Stimmung. Wenn Christiane Lange auftaucht, geht es sofort fröhlich zu. Christiane Lange lacht gern und oft, sie ist quasi eine bekennende Lacherin und sagt: „Wenn man nicht lachen kann, ist es ganz schrecklich, gerade wenn man viel arbeitet.“ Im Moment arbeitet Christiane Lange viel, sogar sehr viel. Im Januar hat die neue Direktorin der Staatsgalerie ihr Amt angetreten und nun die ersten hundert Tage hinter sich gebracht. Sie war fast rund um die Uhr im Einsatz, bis auf die paar Stunden, in denen sie ihre neue Wohnung eingerichtet hat – immerhin, die Vorhänge hängen jetzt auch.

 

„Man sieht es noch nicht, aber ich habe schon wahnsinnig viel Energie reingesteckt“, sagt Christiane Lange – und wirkt doch so, als habe sie noch reichlich Energie auf Vorrat, um die ein wenig ermattete Staatsgalerie wieder auf Trab zu bringen. Denn auch wenn das Museum alles andere als ein gestrandeter Tanker ist, sondern der Betrieb im vergangenen Jahr auch ohne sie gut gelaufen ist, hat sie einiges auf der Liste, was sich verbessern lässt, angefangen bei Beleuchtung bis hin zu bunt gestrichenen Wänden. En passant hat sie den Ausstieg aus der Langen Nacht der Museen umgesetzt. „Es wäre aber auch schrecklich, wenn ich gar nichts ändern würde.“

Ihre größte Aufgabe aber ist eigentlich sehr klassisch und das, was alle neuen Direktoren erst einmal machen: Lange wird die Sammlung der Staatsgalerie neu hängen. Sie wird viele Hinterlassenschaften ihres Vorgängers Sean Rainbird rückgängig machen. Er hat alte Werke mit neuer Kunst konfrontiert, hat Dialoge zwischen Werken und Stilen inszeniert – und er hat viele wichtige Werke im Depot verstaut.

Es geht nicht um „Christianes Lieblingsbilder“

Die wird Lange nun wieder hervorholen. Bei der Neuhängung gehe es nicht um „Christianes Lieblingsbilder“, wie sie sagt, sondern die Bestände werden – in Absprache mit den Fachkuratoren – wieder traditionell chronologisch gehängt und nach Schulen sortiert. Denn Lange begreift das Museum als „Lernort“, der Studienmöglichkeiten bieten soll. „Fragestellungen haben in Sammlungen nichts zu suchen“, meint sie. Ihr Ziel ist, dass der Rundgang „logischer und nachvollziehbarer für die Besucher wird“. Denn Lange selbst hält sich für „ziemlich schlecht in Orientierung“, weshalb sie sich in der Staatsgalerie oft verlaufen habe: „Wie wird es da erst anderen gegangen sein?“

So nüchtern Lange an die Neupräsentation herangeht, ihr Zugang zur Kunst erfolgt nicht über den Kopf, sondern über den Bauch und ist eher sinnlich. „Ein Kunstwerk berührt einen oder eben nicht“, meint sie und liebt die physische Erfahrung, „vor einem Bild zu stehen, bei dem man ein Bauchwummern kriegt“. Deshalb kauft sie privat Kunst auch nicht strategisch oder systematisch, sondern das, „was mich anspringt“. Sie besitzt einige Grafiken von Dubuffet, Giacometti und Picasso, aber auch jüngere Werke. „Das muss gar nicht immer megateuer sein.“

Bei der Beschäftigung mit Kunst bekomme man „immer etwas zurück“, sagt Christiane Lange, „es ist ein ständiger Dialog“. In ihrem Büro in der Staatsgalerie hängen zwei Bilder von Uwe Lausen. Wenn sie ihre Lieblingswerke in der Staatsgalerie nennen soll, dann klingt Lange aber doch schon ganz wie eine diplomatische Museumsdirektorin. So lobt sie die Erbach’schen Tafeln aus dem Giotto-Umkreis, den Meister von Messkirch und die Reliefs von Matisse – „so etwas gibt es in anderen Museen nicht“.

Viel praktische Leitungserfahrung

Um diese, wie sie findet, oft einzigartigen Werke neu zu präsentieren, sollen in den kommenden Wochen immer wieder Abteilungen geschlossen werden. Lange weiß, wie man Kunst hängt. Sie war nach dem Studium zunächst Promotionsstudentin und danach viele Jahre Mitarbeiterin der Galerie Klewan in München – und Lange ist überzeugt, dass sie in diesen Jahren mindestens so viel gelernt hat wie bei einem klassischen Museumsvolontariat. „Ich habe mehr als hundert Ausstellungsprogramme realisiert mit Pressearbeit und kleinen Katalogen.“ Sie hat aber auch Bilder gerahmt und Scheiben geputzt, „alles zu machen ist extrem hilfreich“.

Deshalb kann ihr in der Staatsgalerie wohl so schnell keiner ein X für ein U vormachen. „Ich merke doch, dass ich viel praktische und Leitungserfahrung mitbringe“, sagt sie. An ihrer letzten Station, der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung war ihr Team mit 35 festen und freien Mitarbeitern allerdings überschaubar. In der Staatsgalerie ist Lange Chefin von 220 Personen. Im Grund hat sich alles um den Faktor zehn für sie gesteigert. Statt 1200 Quadratmeter Fläche hat die Staatsgalerie 12 000 Quadratmeter.

Sie zeigt deutlich Präsenz in der Stadt

Noch kennt sie zwar nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Namen, aber in der Stadt zeigt Lange schon deutlich Präsenz, trifft sich mit Kollegen anderer Institutionen und geht in die Oper, weil die Plaudereien in der Pause eben auch wichtig seien. Anders als ihr Vorgänger ist sie überzeugt: „So eine Aufgabe kann man nur erfüllen, wenn man vor Ort ist.“

Dafür wird sie nun auch nach immerhin 22 Jahren zum ersten Mal mit ihrem Mann zusammenziehen – in München hatten sie getrennte Wohnungen unter einem Dach. Nach einer längeren Reise nach Brasilien wird Zé do Rock in diesen Tagen einziehen. Er ist Schriftsteller, schreibt linguistische Romane.

Keine Frage, Christiane Lange scheint sich in Stuttgart wohlzufühlen. Auch wenn sie weiß, dass ein neuer Direktor immer Unruhe bringt, hat sie den Eindruck, überall freundlich empfangen worden zu sein. Sie hat auch keine Bange, dass sie den Kontakt zu ihren langjährigen Freunden in München verlieren könnte. „Es waren alle schon brav da“, erzählt sie, „und haben Bilder gehängt und Dübel gesetzt.“

Herkommen und Pläne

Christiane Lange, 1964 in Mainz geboren, ist in München aufgewachsen. Sie hat Geschichte und Kunstgeschichte studiert und über den Würzburger Dombaumeister Hans Schädel promoviert. Nach dem Studium war sie im Kunsthandel tätig und wechselte dann als Kuratorin an die Kunsthalle der Hypo-Kunststiftung in München. 2006 wurde sie Direktorin des Hauses.
Seit Januar 2013 leitet Christiane Lange die Staatsgalerie Stuttgart. Sie will die eigenen Bestände wieder stärker ins Zentrum rücken und wird in den kommenden Monaten die Sammlung neu hängen. Nach vorübergehenden Schließungen einzelner Bereiche wird die Neuhängung am 13. September der Öffentlichkeit vorgestellt.