Die Mitteilung ist knapp, aber mit weit reichenden Folgen: Der zum Ende der Spielzeit 2013/14 auslaufende Vertrag der Leitenden Regisseurin Andrea Moses wird nicht verlängert. Grund sei eine „ästhetische Neuausrichtung“.

In einer unüblich knappen Mitteilung hat am Mittwoch die Staatsoper Stuttgart eine Entscheidung mit weit reichenden Folgen für die Ausrichtung des Hauses verbreitet: Der zum Ende der Spielzeit 2013/14 auslaufende Vertrag der Leitenden Regisseurin Andrea Moses wird nicht verlängert. Zudem wird diese Position nicht wieder besetzt. „Andrea Moses hat in den vergangenen Spielzeiten mit ihrer unverwechselbaren Handschrift starke künstlerische Impulse an der Oper Stuttgart gesetzt und damit maßgeblich zum Erfolg unseres Hauses beigetragen. Nach drei Spielzeiten in dieser erfolgreichen Konstellation ist es jedoch Zeit für Veränderungen: ich möchte unser Haus künftig wieder mehr für Gastregisseure öffnen“, wird der Opernintendant Jossi Wieler zitiert.

 

Damit vollzieht Wieler einen grundlegenden Kurswechsel. In der Mitteilung ist von „ästhetischer Neuausrichtung“ die Rede. 2011 war er mit der Absicht angetreten, das Stuttgarter Haus aus dem üblichen Regiereisebetrieb herauszulösen und es durch zwei starke szenische Handschriften exklusiv zu stellen. Die  Regietätigkeit des Teams Wieler/Morabito sollte ebenso wie die von Andrea Moses auf der neu geschaffenen Stelle der Leitenden Regisseurin ausschließlich Stuttgart vorbehalten sein: Je zwei bis drei Inszenierungen der Regisseure am Haus plus eine Gastregie sollten hier ein unverwechselbares Profil schaffen.

Offenbar ist das Experiment nicht aufgegangen

Offenbar ist das Experiment nicht aufgegangen. Das Lob des Intendanten für die Regisseurin ist matt, denn „erfolgreiche Konstellationen“ gibt man eigentlich nicht auf. Warum die Trennung nach erst sechs Moses-Arbeiten (Nummer sieben, Puccinis „La Bohème“, folgt im kommenden Mai)? Möglicherweise hat der Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling Einfluss genommen. Er hatte jetzt erstmals mit Andrea Moses beim „Falstaff“ zusammengearbeitet, vor zweieinhalb Wochen war Premiere – szenisch war die Aufführung dem komplexen Werk kaum gerecht geworden. Obgleich der Intendant seine Regisseurin in den vergangenen Jahren öffentlich in Schutz genommen hat, ist bekannt, dass etliche ihrer Arbeiten innerhalb des Hauses als problematisch beurteilt werden. Moses’ Verhältnis zum Staatsopernchor, so ist zu hören, sei belastet.

Zweifellos hatte es die 41-jährige Regisseurin neben Regiestars wie Wieler/Morabito nicht leicht. Möglicherweise war sie mit der Rolle der jungen Co-Pilotin überfordert. Unvermeidlich wurden ihre Inszenierungen mit denen des Duos verglichen (was im Hause nicht gerne vernommen wurde) – und verblassten neben den auch dramaturgisch zwingenderen ästhetischen Übersetzungen von Wieler/Morabito. Konzeptionell kannte Moses überwiegend nur ein Grundmodell: die Übertragung der (historischen) Stoffe in eine durch Habitus und Requisiten oft überpointiert ausgestellte Gegenwart, die dazu möglichst (aktuell) gesellschaftskritisch zu sein behauptete. Moses’ unstrittige Begabung für Timing, die Belebung der Bühne durch Aktion, reichte nicht aus, dass diese Parallelisierungen überzeugend wirkten.

Trotz der Trennung wird Moses kommende Spielzeit in Stuttgart wieder Regie führen. Ihre Dessauer Inszenierung von Mussorgskis „Chowanschtschina“ aus dem Jahr 2011 ist eine Koproduktion mit der Staatsoper, die sie hier einstudiert. Dazu, ob Moses darüber hinaus in Wielers Gastregisseursplänen eine Rolle spielt, machte die Oper auf Nachfrage keine Angaben.