Was in der Beschreibung noch merkwürdig klingen mag, entwickelt auf der Bühne einen ungeheuren Sog. Furcht, Schrecken und Mitleid, all das ineins legt sich über den Tanz des Hasens, der sichtlich Grund hat, ein Angsthase zu sein – und so wie hier, bei der sinnfälligen Mensch-Tier-Symbolik, arbeitet Klemm auch andernorts unter Vermeidung von Kitsch und Pathos mit Überlagerungen, Verwischungen und Verschiebungen. Wie in einem Rondo lässt er zentrale Szenen wiederholen, von insgesamt sieben Schauspielern, die alle in Mehrfachrollen stecken und, so scheint’s zumindest, streckenweise auch in die Haut des jeweils anderen schlüpfen – mit der Folge, dass die Schlüsselsätze des Dramas von Mund zu Mund wandern. „Versteht: Ich bin nicht allein / Ich trage meinen Sohn auf dem Rücken“, sagen nach den Morden gleichlautend die wie Hiob gebeutelten Väter, die mit eindringlicher Sachlichkeit von Michael Stiller und Boris Burgstaller gespielt werden: Der tote Sohn muss und wird gerächt werden – bis in alle Ewigkeit!

 

Das Killerspiel ist ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Und dass die Gesellschaft daraus auch gar nicht erwachen will, zeigt sich in den Showeinlagen, die Wojtek Klemm schrill, laut und revuehaft in die Mordgeschichten ballert: Auf dem Dancefloor zucken kasernenhofgedrillte Körper auf dem Boden vor sich hin, in einem Nachtclub der militärisch harten Rhythmen, wie man ihn in der Amüsierstadt Tel Aviv tatsächlich im Dutzend finden kann.

Als Hanoch Levin sein Drama 1997 schrieb, konnte man von der zweiten, wenige Jahre später das Land überziehenden Intifada noch nichts ahnen. „Mord“ entstand in einer Zeit des relativen Friedens, in der sich die Mehrheit der Israelis daran zu gewöhnen schien, den Krieg als Ausnahmezustand zu betrachten. Das ist er aber nicht. Er ist, sagt Levin, der Normalzustand. Ob sich diese Brisanz des Stücks in seiner ganzen Tragweite auch außerhalb Israels vermitteln lässt, ist freilich mehr als fraglich. Trotzdem sollte man sich auf den sperrigen „Mord“ einlassen. Die Inszenierung im Nord bleibt im Gedächtnis: als Zeitbombe, die auf der Bühne weiter vor sich hin tickt.