Die Auswirkungen eines möglichen Obi-Markts im Westen auf den Handel im Zentrum scheint größer als gedacht. Die Stadt hatte das umstrittene Projekt genehmigt und dafür herbe Kritik geerntet. Jetzt entzündet sich der Streit am Sortiment des geplanten Marktes.

Stuttgart - Die Stadt hat für den geplanten Obi-Baumarkt im Stuttgarter  Westen einen positiven Bauvorbescheid erteilt. Der Gemeinderat hatte ein ähnliches Projekt des selben Investors an selber Stelle jedoch vor Jahren einstimmig abgelehnt. Am zweiten Schritt des Verfahrens, dem eigentlichen Bauantrag, entzündet sich nun erneut eine Debatte. Dem Botnanger Investor wird vorgeworfen, ein unzulässiges Projekt voranzutreiben.

 

Eines der aus Sicht der Stadt entscheidenden Kriterien, ob der umstrittene Baumarkt endgültig genehmigt wird, ist der Anteil des zentrenrelevanten Sortiments. Nach der sogenannten Stuttgarter Liste dürfen auf maximal 3,5 Prozent der Verkaufsfläche etwa Bastelartikel, Bilderrahmen, Lampen, Zeitschriften oder Gardinen verkauft werden. Damit sollen Einzelhändler im Zentrum vor Konkurrenz auf der grünen Wiese geschützt werden. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) sagte dazu im Oktober 2013 im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung: „Die Stuttgarter Liste wird nicht aufgeweicht. Ein solcher Antrag würde von uns nicht genehmigt.“

Um das zu untersuchen, hat die Interessengemeinschaft Hinterer Vogelsang, der Zusammenschluss der Betriebe des Gebiets, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Auf Basis eines vorläufigen Einrichtungsplans des Obi-Markts – einem Teil des endgültigen Bauantrags – wurde die Einhaltung der 3,5-Prozent-Grenze überprüft. Der Anwalt des Vereins, Steffen Waitzmann, sagt: „Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass mindestens 13, maximal jedoch bis zu 29 Prozent der Verkaufsflächen für zentrenrelevante Produkte verwendet werden sollen.“ Das bedeutet, dass aus Sicht des Anwalts in der Bauvoranfrage etwas anderes beantragt wurde, als die Botnanger Widerker-Gruppe jetzt offenbar plant. „Der Investor kann sich daher nicht mehr auf den positiven Bauvorbescheid berufen. Der Antragsgegenstände sind zu verschieden“, urteilt Waitzmann.

Stadt will weiter prüfen

Das Gewerbegebiet hinter dem Westbahnhof ist nach städtischer Planung für Handwerker gedacht. Großflächiger Einzelhandel ist nicht vorgesehen. Entgegen dieser Ziele, die auch im jüngst aufgestellten Bebauungsplan formuliert sind, hat das Baurechtsamt die Voranfrage der Widerker-Gruppe genehmigt. Ein Widerspruch? „Zur Zeit der Anfrage musste diese genehmigt werden. Es gab keine rechtlichen Hürden“, erklärt die Leiterin des Amtes, Kirsten Rickes. Der Investor will an Stelle des 1000 Quadratmeter großen City-Baumarkts einen Obi-Neubau mit rund 5000 Quadratmetern realisieren. Widerker äußerte sich auf Anfragen bisher nicht.

Die Interessengemeinschaft hat in einem Gespräch mit Baubürgermeister Hahn nach eigener Aussage darauf gedrängt, den endgültigen Antrag für den umstrittenen Baumarkt zurückzuweisen. Ohnehin sei ein Obi-Markt mit nur 3,5 Prozent zentrenrelevanten Sortiments unrealistisch, erklärt deren Anwalt. Auf Anfrage erklärt Amtsleiterin Rickes: „Der Antrag, einen Baumarkt auf dem Grundstück Am Stellwerk 4 zu errichten, wird noch geprüft.“ Wichtig sei, dass Bauantrag der Voranfrage entspreche und die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. „Auch das Sortiment spielt dabei eine zentrale Rolle“, erklärt Rickes. An der genauen Auswertung arbeite die Verwaltung aber noch.

Zudem sei man beim drohenden Verkehrsproblem wegen des 5000-Quadratmeter-Obis und der einzigen, sehr beengten Zufahrt in das Gebiet ein gutes Stück weiter gekommen, heißt es aus dem Rathaus. „Bauliche Veränderung und eine neue Ampelschaltung sollen das Gebiet besser erreichbar machen“, erklärt der Pressesprecher der Stadt, Sven Matis. Die Lösung sei unabhängig vom Widerker-Antrag entstanden, betont die Verwaltung. „Daran wird seit 2009 gearbeitet und sie wurde vom Gemeinderat genehmigt“, sagt Matis. „Durch die vorgesehenen Änderungen soll die Kreuzung um 50 Prozent leistungsfähiger werden.“