Auf dem Areal des ehemaligen Kinderkrankenhauses Olgahospital im Stuttgarter Westen soll ein Prototyp für moderne Stadteintwicklung entstehen. Das Rathaus spricht von einem Vorbild für Neckarpark und Rosensteinquartier.

Stuttgart - Nach dem Umzug des Olgahospitals wird auf dem freigewordenen Areal im Westen ein neues Quartier entstehen. Dieses Viertel gilt für die Landeshauptstadt Stuttgart als Prototyp modernen Städtebaus. Die Entscheidung, wie die Flächen vermarktet werden, trifft der Gemeinderat in seiner Sitzung am heutigen Donnerstag.

 

220 Wohneinheiten sind für das Quartier zwischen Hasenberg-, Breitscheid-, Senefelder- und Bismarckstraße geplant. Doch allein deren Aufteilung zeigt, dass es sich für die Landeshauptstadt um ein neuartiges Projekt handelt: Die Hälfte aller Wohnungen soll, analog zum Stuttgarter Innenentwicklungsmodell SIM, öffentlich gefördert und somit günstig vermietet und verkauft werden. Zudem ist geplant, 45 Prozent der Einheiten an Baugemeinschaften zu vergeben – eine Gruppe Bauinteressierter, die meist für die eigene Nutzung ein Grundstück kauft und dort Wohngebäude plant und erstellt. Und: bei den gewerblichen Bauträgern bekommt nicht automatisch das lukrativste Angebot den Zuschlag. Bei der ersten sogenannten Konzeptvergabe in Stuttgart soll die Idee des Investors genauso schwer wiegen wie die gebotene Summe. „Ein Prototyp im Hinblick auf Projekte wie Bürgerhospital, Schoch-Areal, Neckarpark und Rosensteinquartier“, heißt es in der Vorlage des Gemeinderats.

Sollen die „Pioniere“ bevorzugt werden?

Wenn der Rat am Donnerstag abstimmt, geht es zunächst grundsätzlich um die Vermarktung der vier Baufelder. Doch bei der Auswahl der Baugemeinschaften kündigen sich Unstimmigkeiten an. Zum Teil engagieren sich Gruppen bereits seit  2007 in der Planung des Quartiers. Uneinig sind sich die Fraktionen darüber, ob man diese „Pioniere“ bevorzugen sollte. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sagte bei der Debatte im Technischen Ausschuss vergangene Woche, auch neue Baugemeinschaften müssten eine Chance bekommen. Der Stadtrat der Freien Wähler, Joachim Fahrion, erklärte: „Bei der Vergabe müssen wir alle Baugemeinschaften gleich behandeln, egal wie lange die dabei sind.“ Grünen-Chef Peter Pätzold entgegnete: „Diejenigen, die Vorarbeit geleistet haben, müssen davon auch einen Vorteil haben.“ Wer am Ende zum Zug kommt, entscheidet der Gemeinderat zu einem späteren Zeitpunkt.

Auch die Meinungen der Beteiligten vor Ort gehen auseinander. Sie hätten einiges an Planung geleistet, sagt etwa Dietmar Wiehl. Er gehört zu jenen Architekten, die sich schon seit Jahren mit dem Areal befassen. Und er sagt klar: „Es wäre übel, wenn die Mühen derer, die schon lange dabei sind, nicht positiv gewertet würde.“

Abrissarbeiten beginnen im Herbst

Diese Ansicht wird nicht überall geteilt: „Wir müssen alle gleich behandeln“, sagt der Bezirksvorsteher des Stuttgarter Westens, Reinhard Möhrle (Grüne). „Doch wenn die Konzepte bewertet werden, nach denen die Vergabe erfolgt, wird sich bestimmt zeigen, wer sich eingehend mit dem Quartier beschäftigt hat.“

Ähnlich äußern sich die Verantwortlichen des Vereins Projektgruppe Olgäle 2012: „Uns ist wichtig, dass in dem neuen Quartier eine vorbildliche Qualität hinsichtlich des Bauens, der Ökologie, des sozialen Zusammenhalts und der demokratischen Entscheidungswege erreicht wird“, erklären Rüdiger Arendt und Gerhard Ebertshäuser, die Vertreter des Vereins, der sieben Bau- und eine Mietergemeinschaft umfasst. Wenn es dem Auswahlgremium gelinge, seine Entscheidung unter diesem Motto zu fällen, würden sie sich dem nicht entgegenstellen, betonen die beiden. Nun sei vor allem wichtig, dass die vorgesehene Planung keine weiteren Verzögerungen erleide.

Für sämtliche Baugemeinschaften gilt derselbe Preis für die einzelnen Grundstücke, die Vergabe findet allein auf Basis der Konzepte statt.

Der Abriss soll zehn Monate dauern

Wird die Vorlage zur Vermarktung der Flächen in ihrer jetzigen Form verabschiedet, werden die Verfahren zur Grundstücksvergabe im dritten Quartal 2014 gestartet. Die Vergaben an gewerbliche Bauträger werden mindestens sechs Monate dauern. Bis zu 15 Monate werden sich hingegen die Vergaben an die privaten Baugemeinschaften in die Länge ziehen. Die Planung sieht zudem vor, dass der Abriss des alten Krankenhauses im Herbst beginnt und rund zehn Monate dauern wird. Für den neuen Bebauungsplan für das Quartier soll noch vor der Sommerpause der Aufstellungsbeschluss gefasst werden.

Auch energetisch wird dem Olgäle eine Vorbildfunktion zugesprochen. Das Gebiet soll mit einem Blockheizkraftwerk und einer Photovoltaikanlage versorgt werden. Die Bauvorgaben für die Gebäude entsprechen nach dem Willen der Stadt dem Standard von Passivhäusern.

Ihre Vorstellungen zu Mobilität und Verkehr beschreibt die Verwaltung in der Ratsvorlage mit den Worten „autoarmes Quartier“. Der Plan für eine rund zwei Millionen Euro teure Quartiersgarage, finanziert aus den Einnahmen des Parkraummanagements, wird aktuell nicht weiter verfolgt. Das könnte im dicht besiedelten Westen zum Problem werden, da durch das Projekt öffentliche Parkplätze entlang der Hasenbergstraße entfallen und die künftigen Anwohner zusätzliche Stellplätze benötigen werden. „Dafür wurden nun mal keine Mittel im Haushalt eingestellt“, erklärte der Finanzbürgermeister, Michael Föll (CDU), im Technischen Ausschuss.