Bietigheim ist vor 650 Jahren zur Stadt erhoben worden. Damit war man spät dran: Viele Nachbarorte hatten diesen Status zu der Zeit schon längst.

Bietigheim-Bissingen - Bietigheim war vor 650 Jahren noch ein richtiges Dorf: Viele Landwirte, wenig Handel, kaum Handwerker. Aber das Dorf lag an einer strategisch wichtigen Landstraße und an einer geschickten Furt über die Enz. Der Standort war gefragt – und musste verteidigt werden. Weil das mit einer Mauer besser ging, ließ sich das Dorf 1364 zur Stadt erheben, denn nur solche durften befestigt werden. Am 28. August jährt sich die Verleihung der Stadtrechte zum 650. Mal.

 

Allerdings war man an der Enz reichlich spät dran. Die meisten Nachbarorte hatten sich schon längst um Stadtrechte gekümmert: Besigheim zum Beispiel war bereits um 1220 zur Stadt erhoben worden, Markgröningen um 1240 und Oberriexingen um 1250. Allerdings ließ das städtische Leben in Bietigheim auch nach der offiziellen Erhebung zur Stadt vorerst auf sich warten. Laut Stefan Benning, Leiter des Stadtarchivs in Bietigheim-Bissingen, hatte man diesen Schritt offenbar vor allem getan, um eine Stadtmauer zu bauen – und sich so besser verteidigen zu können.Das Marktrecht hingegen, das neben dem Befestigungs- und dem Selbstverwaltungsrecht das dritte elementare Privileg von Städten darstellte, sei zunächst gar nicht in Anspruch genommen worden. So sei es 1393 von Antonia Visconti Gräfin von Württemberg noch einmal vom deutschen König erfragt worden: „Das zeigt, dass das Marktrecht bis dahin wohl noch nicht realisiert worden war“, sagt Benning.

Marktrecht vorerst nicht wahrgenommen

Dabei hatte Bietigheim wohl einiges aufzuholen in puncto Handel. Anfang des 15. Jahrhunderts hatte die junge Stadt noch immer sehr dörfliche Strukturen. Das änderte sich laut dem Archivleiter erst ab Mitte des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. Richtig Aufschwung habe Bietigheim dann mit der Erhebung zur Amtsstadt im Jahr 1506 erhalten. Dann aber sei es schnell bergauf gegangen – vor allem auch, weil der Weinbau in dieser Zeit „unglaublich Konjunktur“ hatte, wie Benning berichtet.Bissingen, das einst mit dem Dorf Bietigheim auf Augenhöhe gewesen war, blieb vorerst, was es war: klein und vergleichsweise unbedeutend. Damals sei Bissingen aber ohnehin eher zur Stadt Markgröningen hin orientiert gewesen als nach Bietigheim, erzählt der Archivleiter Benning. Erst mit dem Bau der Eisenbahn und des Bahnhofs zwischen Bietigheim und Bissingen hätten die zwei Orte sich angenähert – und schließlich 1975 zu einer Stadt vereint. „Der Bahnhof ist der Bindestrich zwischen Bietigheim und Bissingen“, sagt Benning.

Gemeinsam feiern die beiden Stadtteile in diesem Jahr das Jubiläum Bietigheims. Unter anderem ist bereits seit mehreren Monaten die Ausstellung „Stadtluft macht frei!? 650 Jahre Bietigheimer Stadtrechte“ im Stadtmuseum Hornmoldhaus zu sehen. Auch einen offiziellen Jubiläumsfestakt hat es bereits gegeben und eine Briefmarken-Ausstellung zu Stadtjubiläen in Deutschland. Im Herbst wird zudem eine wissenschaftliche Tagung über württembergische Städte im Mittelalter in Bietigheim-Bissingen stattfinden. Aber davor wird noch einmal richtig gefeiert: Auf dem Pferdemarkt am kommenden Wochenende, der ebenfalls Jubiläum hat: Er wird 80.