Viele Debatten hat es gegeben über das neue Waiblinger Stadtmuseum. Manche (finanzielle) Nuss war zu knacken. Im Frühjahr 2014 hat das alte Gerberhaus seine Pforten geöffnet. Der Leiter Uwe Heckert erzählt, was Besucher 2015 erwartet.

Waiblingen - Viele Debatten hat es gegeben über das neue Museum, das die Geschichte Waiblingens erzählen soll. Manche (finanzielle) Nuss war zu knacken. Im Frühjahr 2014 hat das alte Gerberhaus seine Pforten geöffnet. Der Museumsleiter Uwe Heckert erzählt, was sich seither getan hat und was die Besucher 2015 erwartet.

 
Herr Heckert, rund sieben Jahre mussten die Waiblinger ohne Stadtmuseum auskommen. Im Mai hat das Haus der Stadtgeschichte wieder eröffnet. Zumindest am Eröffnungstag war das Interesse riesig. Wie haben sich die Besucherzahlen entwickelt?
Sehr erfreulich. Seit der Eröffnung am 10. Mai 2014 haben wir bis Mitte Dezember des vergangenen Jahres rund 8300 Besucherinnen und Besucher gezählt.
Haben die Gäste im Haus der Stadtgeschichte Lieblingsstücke?
Das multimedial animierte Stadtmodell gehört dazu, zudem der Raum mit den Uhren, zum Beispiel der Werksuhr und der Stempeluhr der Seidenstoffweberei Küderli. Er fasziniert die meisten sehr. Andere genießen es einfach, sich in die Bohlenstube zu setzen und den Hörspielen zu lauschen. Viele sind auch beeindruckt von dem durchschossenen Soldbuch oder vom Festtagsgeschirr der jüdischen Waiblingerin Berta Kahn, die 1941 in ein KZ abtransportiert und ermordet wurde.
Das sind natürlich sehr besondere Stücke...
Ja, aber interessanterweise kommt auch ein Gegenstand aus der Abteilung „Herrschen und Verwalten“ besonders gut an: eine mechanische Schreibmaschine der Stadtverwaltung. Kinder, aber nicht nur die, klappern gerne auf den Tasten herum und sind begeistert von der Mechanik. Wobei wir hier ein Problem haben: wir finden fast keine Farbbänder für diese Maschine – und wenn, dann sind sie meistens ausgetrocknet.
Was halten die Besucher vom Konzept der Ausstellung?
Unser Konzept, die Chronologie zu verlassen, und stattdessen Schwerpunkte zu setzen, kommt gut an und wird allgemein gelobt. Beliebt sind zum Beispiel die „Waiblinger Gesichter“, alles eher ungewöhnliche Menschen, die mit Foto und kurzem Text vorgestellt werden. Zum Beispiel Irina Bente, die unter dem Namen Tigora als Dompteurin auftrat und bis zu ihrem Tod im Jahr 1988 in der Weingärtner Vorstadt lebte, also in unmittelbarer Nachbarschaft zum Museum.
Trotzdem – ist es nicht frustrierend, dass nur ein geringer Teil der vorhandenen Exponate gezeigt werden kann?
Ich persönlich finde es gut, dass noch etwas vom Haus selbst zu sehen und nicht alles zugebaut ist. So ist nicht so viel zu sehen, dass es die Leute überfordert.
Wen lockt das Haus der Stadtgeschichte an?
Viele unserer Besucherinnen und Besucher sind eher Leute reiferen Alters, es kommen aber auch viele Schülerinnen und Schüler. Wir hoffen, dass wir uns mit einer frischen Präsentation eine Generation heranziehen, die auch so regelmäßig vorbei kommt.
Ein wichtiges Ziel des Museums war es ja, insbesondere Kinder und Jugendliche anzusprechen. Klappt das?
Mit dem pädagogischen Programm, das Honorarkräfte der Kunstschule Unteres Remstal machen, stoßen wir bereits jetzt fast an unsere Kapazitätsgrenzen und dabei haben wir noch gar nicht an den Schulen dafür geworben. Es gibt Tage und Zeiten, da haben wir ein Problem, die Gruppen unterzubringen.
Die Handpuppe Remsi, angelehnt an eine im Haus gefundene mumifizierte Ratte, führt die Kinder durchs Haus – was hält der Nachwuchs vom Museum?
Remsi finden die Kinder total gut. Sie finden es auch gut, dass man in der Ausstellung so vieles anfassen und betasten und beriechen kann. Zum Beispiel gibt es Proben einiger Grundstoffe für die Gerberei, wie Felle, Eichenrinde, Chromsalz oder Fischöl. Das ist ein sinnliches Erlebnis.
Gab es auch Kritik?
Ja, wir haben auch einige kritische Rückmeldungen bekommen – überwiegend zu kleinen sachlichen Fehlern oder weil etwas schlecht beleuchtet oder schwer zu lesen ist. Da müssen wir an manchen Stellen noch nacharbeiten. So hat sich zum Beispiel das im Bereich „Freizeit“ ausgestellte Flügelhorn als Tenorhorn erwiesen. Auch die Beleuchtung muss an der ein oder anderen Stelle geändert werden. Vieles, das man sich wünscht, war im ersten Schwung noch nicht finanzierbar, und bei vielem findet man erst im Betrieb heraus, wo es klemmt.
Wie reagieren die Besucher auf die im Museum ausgestellte Büste Adolf Hitlers, die 1938 anlässlich der Leistungsschau in Waiblingen angefertigt worden ist?
Die Reaktionen sind überwiegend positiv. Wir stellen die Büste so aus, wie wir sie quasi aus dem Müll gezogen haben – verpackt in einen Karton, der mit Styroporchips gefüllt ist. Ich käme nie auf die Idee, den ramponierten Kopf restaurieren zu lassen.
Das Haus der Stadtgeschichte gilt als ältester Profanbau in Waiblingen. Ist solch ein Gebäude mit Geschichte eher von Vorteil oder ein Nachteil?
Die historische Raumaufteilung legt natürlich vieles fest. Und im Gewölbekeller fing es nach der Eröffnung plötzlich an zu rieseln. Das ist ein sehr feuchter Raum für Museumsverhältnisse. Die hier ausgestellte Lederhose schützen wir jetzt mit Silicagel vor dem Schimmeln. Andererseits hat es durchaus einen gewissen Charme, wenn man wie hier die Baustruktur sehen kann, das ist in vielen anderen Häusern nicht so. Ich bin der Ansicht, dass es überhaupt nicht schadet, wenn man einem Haus der Stadtgeschichte die Stadtgeschichte ansieht. Es muss schon ein Gebäude sein, bei dem man erkennt, dass es ursprünglich da hingehört.
Ihre Gebäudenachbarn sind die Galerie Stihl und die Kunstschule Unteres Remstal. Vorab war von einem „magischen Dreieck“ die Rede. Wie sieht es damit aus?
Die Synergieeffekte zwischen der Galerie Stihl, der Kunstschule und dem Stadtmuseum funktionieren wirklich gut. Wir drei Leiter treffen uns regelmäßig und sprechen über unsere Projekte, und wie man sich gegenseitig unterstützen kann.
Was tut sich im Jahr 2015 im Museum?
In der Bohlenstube kann man dann voraussichtlich heiraten. Was Wechselausstellungen angeht, so ist ein Projekt mit der Galerie Stihl ziemlich weit gediehen. Die Galerie zeigt 2015 Grafiken von Willi Baumeister. Passend dazu wollen wir im Haus der Stadtgeschichte eine kleine, aber feine Ausstellung mit Bühnenbildern und Kostümen zeigen, die Baumeister und seine Schülerin Carola Tolkmitt für Puppentheaterstücke entworfen haben. Eines der Stücke, Max Kommerells „Das verbesserte Biribiri“, wird der Puppenspieler Frieder Simon aus Halle an der Saale aufführen. Max Kommerell hatte übrigens einen Bezug zu Waiblingen – sein Vater war hier Oberamtsarzt, die Familie wohnte in der Gartenstraße.