Die Rentenkasse stößt bei einem Stadtwerke-Mitarbeiter auf Sozialbetrug. Dann wird er gefeuert. Zufall?

Ludwigsburg - Frank Müller war dankbar, als er vor rund vier Jahren den Job bei den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim bekam. Müller war damals 56, hätte wohl nicht bei vielen Arbeitgebern noch mal eine Chance erhalten. Doch als er vor einigen Wochen wie üblich an seinem Arbeitsplatz auftauchte, war plötzlich alles anders. Müller, der in Wirklichkeit anders heißt, erhielt eine fristlose Kündigung. Er habe versucht, mit nachgereichten Korrekturbelegen bei der Arbeitszeit zu tricksen. Hinter den aus seiner Sicht frei erfundenen Vorwürfen vermutet er etwas anderes: Man wolle ihn loswerden. Denn das kommunale Tochterunternehmen hatte ihn anderthalb Jahre lang als Scheinselbstständigen beschäftigt.

 

Bei den Stadtwerken will man sich zu dem Fall nicht detailliert äußern – mit Verweis auf den Datenschutz. Allerdings bestätigt der Geschäftsführer Bodo Skaletz, dass der Mann einen Werkvertrag gehabt habe, über den er für das Spülen der Hydranten in den beiden Städten entlohnt wurde. Doch die Deutsche Rentenversicherung stieß auf den Fall und verpflichtete die Stadtwerke im August 2014, Müller rückwirkend fest anzustellen. Er habe sich die Arbeit frei einteilen können, hatte jedoch nur die Stadtwerke als Arbeitgeber und war zu eng in die Betriebsabläufe eingebunden – Indizien für Scheinselbstständigkeit.

Auf den Streit folgt die Kündigung

Es folgte ein Monate währendes Verhandeln über die Frage, wer für die rückwirkend anfallenden Sozialbeiträge, die sich die Stadtwerke durch die heikle Konstruktion gespart hatten, aufkommen muss. Das Unternehmen forderte rund 11 000 Euro von Müller – eine große Summe für jemanden, der nur rund 2000 Euro brutto verdient. Auf Anraten eines Kollegen habe er sich einen Anwalt genommen. Dieser kam zu dem Schluss, dass in derartigen Fällen stets der Arbeitgeber allein für die Beiträge aufzukommen habe. Schließlich hätten die Stadtwerke die Misere ja auch durch die vertragliche Konstruktion verursacht. Es kam zum Streit – und schließlich zur fristlosen Kündigung.

Unlängst trafen sich Müller und sein Ex-Arbeitgeber beim Ludwigsburger Arbeitsgericht. Dort machte Müller geltend, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, bei der Arbeitszeit zu tricksen. Schließlich hatte der Mann stets einen Tablet-PC dabei, in dem er minutiös alle Arbeitsschritte, Pausenzeiten, Arbeitsbeginn und Feierabend protokollieren musste – inklusive GPS-Ortung seines Standorts. „So blöd kann ich ja gar nicht sein, ich könnte noch nicht mal eine halbe Stunde betrügen, ohne dass man es merkt“, sagte Müller vor Gericht. Ein Argument, das den Richter offenbar überzeugte. Auf sein Drängen hin nahmen die Stadtwerke die Betrugsvorwürfe zurück. Und die fristlose Kündigung wurde in eine reguläre Kündigung umgewandelt, so dass Müller noch drei Monate lang sein Gehalt zugesprochen wurde.

Fast hätte man sich geeinigt

Sein damals wichtigstes Ziel hatte der inzwischen 60-Jährge damit aber verfehlt: Er hatte auf Wiedereinstellung geklagt. Denn in seinem Alter sei es mehr als schwierig, wieder Arbeit zu finden. Dabei hätte Müller sich zuvor um ein Haar noch mit seinem Arbeitgeber geeinigt. Er erklärte sich zu Nachzahlungen bereit, strittig waren letztlich noch 7000 Euro. Als er mit 5000 Euro in bar in der Betriebszentrale anrückte, um die Sache zu erledigen, war das den Stadtwerken nicht genug – es folgte die erwähnte Kündigung.

Mit der gerichtlichen Einigung zeigt sich Müller dennoch im Nachhinein nicht unzufrieden. „Ich habe mit der Sache abgeschlossen, vielleicht ist es besser so“, sagt er. Jetzt hoffe er schlicht, dass er erneut einen Arbeitgeber findet, der ihm doch noch eine Chance gibt.