Die Stadtwerke Stuttgart haben sich auf die südbadischen Elektrizitätswerke Schönau (EWS) als Partner beim Stromvertrieb geeinigt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Mit großer Mehrheit haben sich die Aufsichtsräte der Stadtwerke Stuttgart am Freitag auf die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) als Partner beim Stromvertrieb geeinigt. Die Mitarbeiter der EWS, die wegen ihres Herkommens aus einer bürgerschaftlichen Initiative gerne als Stromrebellen bezeichnet werden, sollen maßgeblich dazu beitragen, dass Kunden in Stuttgart vom Grundversorger Energie Baden-Württemberg oder von einem anderen Stromunternehmen zu den Stadtwerken Stuttgart wechseln und von dort ihren Strom beziehen. Vom Herbst an wollen die Stadtwerke im lokalen Markt kräftig mitmischen.

 

Das Ziel der Stadtwerke Stuttgart ist, bis zum Jahr 2020 mindestens 30 000 Kunden zu haben, die zusammen 78 Gigawattstunden an grünem Strom abnehmen. Das entspräche zehn Prozent der Haushalte in Stuttgart. Ein großer Vorteil der EWS: sie wollen ihre 10 000 Stuttgarter Kunden anschreiben und ihnen vorschlagen, zu den Stadtwerken zu wechseln. Eine Pflicht gibt es nicht. EWS und Stadtwerke werden voraussichtlich eine Vertriebsgesellschaft gründen, an der die Stadtwerke Stuttgart die Mehrheit hält. Zumindest theoretisch könnte die Kooperation aber noch scheitern, wenn es jetzt an die konkreten Verhandlungen geht.

Schönauer EWS ist bester Bewerber

Peter Pätzold, der Fraktionschef der Grünen, sieht die Schönauer EWS als besten der drei Bewerber an. „Sie passen zu uns“, meinte er, denn man habe das gemeinsame Ziel, möglichst viel Strom vor Ort zu erzeugen. Pätzold räumte aber ein, dass die Stadtwerke Aachen, die neben der Thüga AG noch mit im Rennen waren, eine gute Bewerbung abgegeben hätten. Letztlich habe gegen sie gesprochen, dass sie keine lokale Verankerung hatten, so Pätzold.

Die CDU hatte ebenso wie FDP und Freie Wähler die Stadtwerke Aachen favorisiert, weil das Unternehmen breit aufgestellt sei, schon einen sehr hohen Anteil ihres Ökostroms selbst erzeuge und hohe Ansprüche formuliert habe, so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz: Die Aachener wollten doppelt so viele Kunden gewinnen wie von den Stadtwerken Stuttgart selbst geplant. Vor allem war die CDU gegen die EWS, weil es schwierig sei, als neu gegründete Stadtwerke aus einem so langen Schatten herauszutreten: „Die Schönauer haben ein so großes Gewicht, da können die Stadtwerke kaum ein eigenes Profil entwickeln“, sagte Kotz.

Bürgermeister Föll leitet den Aufbau

Die SPD hat ebenfalls die EWS und die Stadtwerke Aachen als „höchst qualifiziert“ angesehen, wie Manfred Kanzleiter sagte: „Für die EWS sprach letztlich die klare unzweideutige Ausrichtung.“ Stuttgart und Schönau seien aber unterschiedliche Pflaster, so Kanzleiter: Darüber müsse jetzt in den Verhandlungen gesprochen werden. Auch Bürgermeister Michael Föll (CDU), der den Aufbau der Stadtwerke federführend leitet, hat die EWS favorisiert.

Michael Sladek, der Sprecher der Elektrizitätswerke Schönau, sagte am Freitag in einer ersten Reaktion, dass diese Entscheidung für die EWS einen großen Schritt in der Unternehmensgeschichte bedeute: „Dass wir jetzt unsere Philosophie auch in Stuttgart umsetzen dürfen, ist fast ein Quantensprung.“ Für die EWS sei es ganz wichtig, das bürgerschaftliche Engagement im Energiesektor zu stärken, beispielsweise, indem Bürger sich an Anlagen beteiligen könnten. Gerade nach der Debatte über Stuttgart 21 könne diese Ausrichtung der EWS vielleicht sogar zur Befriedigung der Stadtgesellschaft in Stuttgart beitragen.

Regionales Produkt

Dass die Schönauer es schaffen, genügend Kunden für die Stadtwerke zu gewinnen, steht für Michael Sladek außer Frage: „Die Zahl von 30 000 Kunden in acht Jahren halte ich eher für zu niedrig angesetzt.“ Denn es sei in der Wahrnehmung der Menschen etwas völlig anderes, ob die EWS oder die Stadtwerke Stuttgart an den Start gingen: „Die Stadtwerke sind ein regionales Produkt, damit können sich viele Menschen in Stuttgart identifizieren.“

Der Aufsichtsrat hat am Freitag übrigens noch eine zweite ganz wesentliche Entscheidung gefällt: Sie hat den 42-jährigen promovierten Physiker Michael Maxelon zum technischen Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart gewählt – diese Wahl fiel einstimmig aus. Maxelons Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Martin Rau den Aufbau des Unternehmens voranzutreiben; eine seiner ersten Tätigkeiten wird es sein, die Verhandlungen mit den EWS zu führen. Michael Maxelon ist bis jetzt einer von zwei Geschäftsführern der Netzgesellschaft der Stadtwerke Krefeld. Er sei ein Fachmann, der sein Geschäft verstehe, hieß es am Freitag – und zwar unisono aus allen Fraktionen.