Die deutsche Hauptstadt ist eines der drei beliebtesten Städteziele Europas. Seit zehn Jahren in Folge steigen die Besucher- und Übernachtungszahlen. Ein Grund: die günstigen Berliner Hotelpreise.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die deutsche Hauptstadt ist eines der drei beliebtesten Städteziele Europas. Seit zehn Jahren in Folge steigen die Besucher- und Übernachtungszahlen. Ein Grund: die günstigen Hotelpreise. Das Gastgewerbe liefert sich an der Spree einen harten Konkurrenzkampf. Allein bis Ende 2014 sollen gut 40 neue Hotels mit rund 20 000 Betten eröffnen.

 

So viel Auswahl zu günstigen Preisen bietet kaum eine Großstadt. Wer bei einem der großen Online-Hotelvermittler kurzfristig eine Unterkunft in Berlin sucht, hat die Qual der Wahl. 420 freie Hotels von 30 Euro pro Zimmer und Nacht an listet etwa HRS auf. Eine Übernachtung in einem etwas abseits gelegenen Vier-Sterne-Haus ohne Frühstück gibt es bereits ab 36 Euro für zwei Personen. Und selbst die günstigste 5-Sterne-Nobelherberge in Mitte ist schon ab 149 Euro inklusive Frühstück zu haben.

„Im internationalen Vergleich sind unsere Hotels sehr preisgünstig“, sagt Katharina Dreger, Sprecherin der Berlin Tourismus & Kongress GmbH. Mit gerade mal durchschnittlich 82 Euro ist eine Übernachtung in der deutschen Hauptstadt weit billiger als in den meisten anderen Weltmetropolen. In New York (189 Euro), Moskau (170 Euro) oder Dubai 161 (Euro) kostete ein Hotelzimmer im März doppelt so viel oder noch mehr, wie ein Vergleich des Buchungsportals Hotels.com zeigt. Auch die schärfste Konkurrenz in Europa ruft viel höhere Preise auf. Im beliebtesten Städteziel London zahlen Gäste für eine Übernachtung im Schnitt 139 Euro, in Paris 127 Euro und in Rom 106 Euro. Auch in Zürich (150 Euro), Kopenhagen (121 Euro), Amsterdam (120 Euro) und Wien (98 Euro) ist ein Aufenthalt teils deutlich teurer.

Allerdings fehlt es auch an der Spree nicht an Quartieren für allerhöchste Ansprüche. Reihenweise sind seit dem Fall der Mauer Luxusherbergen in den teuersten Lagen am Pariser und Potsdamer Platz, am Gendarmenmarkt, Alexanderplatz und in der City West entstanden. Jüngstes Beispiel: das Waldorf Astoria nahe der Gedächtniskirche. In dem Hochhausturm kostet das günstigste Doppelzimmer stolze 255 Euro. Für die teuerste Suite im 30. Stock muss der betuchte Gast sogar 3255 Euro hinblättern, Frühstück inklusive.

Ein Boom an Investoren seit der Wende

Am anderen Ende der Skala locken zahlreiche Billighotels quer übers Stadtgebiet verteilt mit Tiefstpreisen von 20 Euro und weniger. Schon am Flughafen liegen haufenweise Prospekte von Hostels und Jugendherbergen, die besonders auf junge Gäste zielen, die mit Billigflügen von Easyjet, Ryanair oder Germanwings teilweise in ganzen Horden meist übers Wochenende in die Stadt strömen.

Berlin ist eine Reise wert. Mehr Touristen als je zuvor setzen den guten alten Werbespruch in die Tat um. 10,8 Millionen Gäste besuchten allein voriges Jahr die deutsche Hauptstadt, ein Zuwachs um ein sattes Zehntel. Im Schnitt blieben die Besucher 2,3 Tage und gaben 217 Euro aus. Der Ansturm sorgt besonders in den Hotels für viel Betrieb. Mit 24,9 Millionen Übernachtungen verbuchte die Branche an der Spree ein Wachstum um 11,4 Prozent und einen neuen Rekord. Reisen nach Berlin stehen auch international hoch im Kurs, nicht zuletzt wegen der vielen großen Kongresse und Leitmessen. 4,1 Millionen Gäste kamen voriges Jahr allein aus dem Ausland, ein Anstieg um 13,5 Prozent. Besonders auf Besucher aus Großbritannien, Italien, den Niederlanden, den USA, Spanien und Frankreich übt die ehemalige Mauerstadt eine hohe Anziehungskraft aus.

Mit den Touristen kommen die Investoren. Seit der Wiedervereinigung erlebt die Metropole einen in Europa beispiellosen Hotelboom. Gerade mal 30 000 Gästebetten zählte Berlin 1991, die Auslastung lag bei kümmerlichen 18 Prozent. Zur Jahrtausendwende hatte sich die Kapazität bereits verdoppelt, und danach ging es Schlag auf Schlag. Ende 2012 gab es in 778 Beherbergungsbetrieben rund 123 000 Betten, wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilt. Damit hat sich Kapazität seit der Wende mehr als vervierfacht.

„Diese Entwicklung ist ein Riesenkompliment für Berlin, um diese Anziehungskraft werden wir in ganz Europa beneidet“, sagt Stadtvermarkterin Dreger. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweige an der Spree, steuert rund acht Prozent zum Volkseinkommen bei und gibt 50 000 Vollzeitbeschäftigten Arbeit. Insgesamt bestreiten in Berlin sogar 275 000 Menschen ihren Lebensunterhalt zumindest teilweise mit dem Reisegeschäft. Der Bruttoumsatz der Branche hat sich in zehn Jahren auf gut zehn Milliarden Euro verdoppelt.

Die gefürchtete Pleitewelle blieb aus

Die Hotelbranche setzt weiter auf die Hauptstadt. Vier neue Häuser mit mehr als 800 Zimmern haben allein dieses Jahr schon eröffnet. Weitere 22 Hotels mit fast 5000 Zimmern sollen bis Jahresende noch folgen, zumeist in Mitte, Schöneberg und Charlottenburg. Darunter ist ein Hostel mit 600 Billigzimmern in der Oranienburger Straße, das im Mai eröffnen soll. Die türkische Titanic-Gruppe hat zwei Häuser mit zusammen 600 Zimmern im Bau. Und die spanische Riu-Kette will im Herbst ein großes Plaza-Hotel mit 360 Zimmern in Westberlin aufmachen.

Ein Ende des Hotelbooms ist nicht in Sicht. Eine Liste des Hotel- und Gaststättenverbands führt fürs nächste und die folgenden Jahre weitere 20 geplante Projekte mit mehr als 9000 Zimmern auf. Darunter sind ein Motel One nahe dem Ku'damm mit fast 600 Zimmern sowie ein Hotel nahe der Messe im tiefen Westen mit 450 Räumen.

Die Sorge, dass hier Überkapazitäten entstehen, die den Preiskampf noch verschärfen, teilt der Berliner Dehoga-Geschäftsführer Thomas Lengfelder nicht: „Diese Warnungen begleiten uns seit 20 Jahren, aber sie haben sich nie bestätigt“, sagt der Branchenkenner, der lange Zeit selbst ein großes Hotel leitete. Voriges Jahr sei die Zimmerauslastung in Berlin kräftig von knapp 71 auf mehr als 74 Prozent gestiegen, betont Lengfelder. Das zeige, dass die Rechnungen der Investoren offenbar aufgingen. Eine Pleitewelle, vor der manche warnten, habe es nicht gegeben. Und das soll so bleiben, auch wenn die Bettenzahl bis Ende 2014 schon bei 143 000 liegen könnte. Denn auch die Besucherzahlen sollen weiter kräftig zulegen. Die Stadtvermarkter und die Statistiker erwarten stetig steigende Übernachtungszahlen. 2015 sollen es schon fast 29 Millionen sein, 2020 bereits fast 37 Millionen.