Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

„Das Glück eines Einzelnen hat genauso viel Wert wie das Glück vieler“

Im Film „Auf der Suche nach Mr. Spock“ fällt ein zentraler Satz: Spock fragt Captain Kirk, warum der ihn gerettet hat und dabei das Leben seiner Crew aufs Spiel setzte. „Spock: ‚Aber warum haben Sie es getan?‘ – Kirk: ‚Weil das Wohl von Einem genauso schwer wiegt, wie das Wohl von Vielen!‘“ Stimme Sie mit dieser Maxime überein?
Spock ist zunächst der Meinung, das Glück vieler mehr wert sei als das Glück eines Einzelnen.
Das ist logisch.
Die Frage wird in der heutigen Ethik debattiert. In den „Star-Trek“-Filmen wird gezeigt, wie sich Kirk mit seiner Crew in große Gefahren begibt, um Spock zu retten. „Star Trek“ III gipfelt in dem Satz: „Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen.“ Schon Hegel hat kritisiert, dass man den Wert des Glück nicht an der Zahl der Glücklichen fest machen kann.
Die beiden Protagonisten Spock und Kirk sind sehr pragmatisch. Idealisten zwar, aber zugleich auch Realisten. Wie kann man das unter einen Hut bringen?
Hegel will beides, das Glück des einzelnen und der Vielen zu verbinden. Im Film ist es Spock, der seine These schließlich revidiert.
Ein zentrales Thema der Philosophie ist die Freiheit des Willens, ein zentrales Thema auch von „Star Trek“. Wie wird dieser Gedanke dort umgesetzt?
Die Freiheit des Willens ist eines der zentralen Themen der ganzen Serie. In Episode 34 „The Apple“ (Der Apfel), die auf die biblische Erzählung vom Paradies anspielt, wird diese Frage debattiert. Die „Enterprise“-Besatzung kommt auf einen Planeten, auf dem vollkommen zufriedene, gesunde Wesen leben, die unsterblich sind, aber ohne freien Willen existieren. Es wird die Frage aufgeworfen: Darf man sich von außen einmischen und die Bewohner des Planeten zu einer anderen Erkenntnis führen?

„Gleichheit aller Wesen, die über freien Willen verfügen“

„Star Trek“ war in den rassistisch geprägten 1960er in den USA vor allem deshalb so revolutionär, weil ein Russe, ein Chinese, eine Afroamerikanerin zusammen mit einem Amerikaner und einem spitzohrigen Besserwisser gemeinsam auf der Kommandobrücke Dienst tun. Steht dahinter der Wunsch nach der Gleichheit aller Menschen?
Das war eine zentrale Idee von Roddenberry, dem Schöpfer von „Star Trek“: die Gleichheit aller Wesen, die über freien Willen verfügen. Und da gehört auch der Halb-Vulkanier Mr. Spock dazu, natürlich auch die Vertreter der unterschiedlichen terrestrischen Völker. Der farbige Kommunikationsoffizier Lieutenant Nyota Penda Uhura spielt dabei eine besondere Rolle.
Inwiefern?
Der US-Bürgerrechtler Martin Luther King hatte die Schauspielerin Nichelle Nichols motiviert weiter in der Serie mitzuspielen. Sie hatte ein anderes Angebot. „You don’t have a black role, you have e equarl role“ („Du hast keine schwarze Rolle, sondern Du hast eine gleiche Rolle“). Das ist Originalton Martin Luther King. Das war äußerst wichtig Ende der 1960er. Als die farbige Schauspielerin Whoopy Goldberg Ende der 1960er die Serie zum ersten Mal sah, war sie völlig hingerissen. Sie rannte zu ihren Eltern und sagte: Ihr musst das angucken. Im Fernsehen ist eine schwarze Frau, die ist kein Kindermädchen, sondern arbeitet auf der Kommandobrücke. da war damals während der Hochphase der Diskriminierung von Schwarzen in den USA nicht die Normalität.
Whoopy Goldberg spielt übrigens in der Folgeserie „Star Trek: The Next Generation“ Guinan vom Volk der El-Aurianern, die von den Weltraum-Cyborgs Borg vernichtet werden.
Der Gedanke der Gleichheit, des Antirassistischen und Antinationalistischen spielt in „Star Trek“ eine zentrale Rolle. Insofern halte ich die Serie auch heute für höchst aktuell.

„Mr. Spock ist der philosophische Kopf der ‚Enterprise‘“

Im ersten Kinofilm „Star Trek. Der Film“ von 1979 sagt Mr. Spock in einer Szene, nachdem er von einem Maschinenplaneten namens „V’ger“ , der die Erde bedroht, zurückgekehrt ist: Spock: „Er stellt sich Fragen.“ – „Kirk: Was für Fragen?“ – Spock: „Ist das alles was ich bin? Ist da sonst gar nichts mehr?“ Sind das die fundamentalen Fragen des Universums?
Es werden die Grundfragen des menschlichen Denkens formuliert. Für mich ist Spock aufgrund dieser und vieler anderer Aussagen der unumstrittene philosophische Kopf der „Enterprise“ und für eine Philosophen die spannendste Figur.
Spock ist aber nicht nur Logiker, sondern auch Gefühlsmensch. Seine Mutter ist menschlich. Verlässt Spock aufgrund dieser genetischen Wurzeln den Elfenbeinturm des Denkens.
„Star Trek“ zeigt , dass Philosophie nicht nur für extrem rationale Positionen steht, sondern sie die Ganzheit menschlicher Existenz in den Blick nimmt. Spock zeigt Emotionen und pflegt Freundschaften etwa mit Doktor „Pille“ McCoy, dem Schiffsarzt. Zwischen beiden herrscht eine Spannung zwischen Emotionalität und Rationalität, die witzig und gelungen vorgeführt wird.