Für Arbeiten wie Ihre „Sunday Sketches“, bei denen Sie Alltagsgegenstände aus ganz neuer Perspektive zeigen, brauchen Sie aber doch jede Menge davon?
Ja, die „Sunday Sketches“ haben tatsächlich mit sehr viel Geduld zu tun. Die Schwierigkeit und das Interessante an ihnen ist, dass man nicht weiß, was am Schluss herauskommt. Als Ingenieur, der eine Brücke über einen Fluss baut, muss ich ein technisches Problem lösen, weiß aber, was das Ergebnis sein soll. Mein Kunstproblem muss ich nicht nur lösen, sondern auch das Problem erfinden.
Wie entsteht so eine Skizze, bei der Sie fotografierte Gegenstände und Zeichnungen kombinieren und ganz neue Zusammenhänge schaffen – etwa einen Kamm zum Kühlergrill umfunktionieren?
Zuerst ist da das Objekt, zum Beispiel ein Kamm. Den muss ich anschauen und dabei vergessen, was er darstellt und was seine Funktion ist. Ich muss einen frischen, komplett unvoreingenommenen Blick auf ihn haben und im Kopf alle visuellen und kulturellen Möglichkeiten durchrattern. Ich mache dazu ein Tor auf und versuche, jede Schublade im Hirn zu öffnen – von Politik bis Pflanzen. Das ist eine wahnsinnig schwere Übung.
Als Betrachter fragt man sich hingegen, wieso man die Ähnlichkeit nicht selbst entdeckt hat. Alles wirkt schlüssig und offensichtlich.
Das ist der Aha-Effekt, der beim Leser stattfinden soll. Aber glauben Sie mir – die Idee ist nicht mit dem Aha-Effekt entstanden. Aus dem Bauch heraus entsteht vielleicht eine Skizze von 100. Das Ganze ist eher vergleichbar mit einer Ballerina, die über die Bühne schwebt, oder einem Schauspieler, der einen zu Tränen rührt – es wirkt mühelos, beide haben das aber sehr viele Male trainiert.
Wer Ihre Ausstellung besucht hat, weiß, dass Sie kein Fan des Malers Marc Chagall sind. Wer sind Ihre zeichnerischen Vorbilder?
Ganz große Helden sind Sempé und Ungerer, aber auch Hockney. Sie haben ein visuelles Universum aufgebaut, eine Welt der Bildsprache erfunden.
Apropos Sprache: Sie sind 1997 direkt nach Ihrem Diplom an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste nach New York gegangen. Ist es nicht schwierig, in einer Fremdsprache und anderen Kultur Dinge auf den Punkt zu bringen?
Mein Englisch war ganz gut, aber es war dennoch sprachlich herausfordernd. Im Nachhinein war es aber auch verblüffend, wie nah mir die US-amerikanische Kultur war. Ich bin aufgewachsen mit der Sesamstraße, mit Magnum und Co. Meine erste Fremdsprache war zwar Französisch, aber ich könnte Ihnen keinen Titel einer französischen Kindersendung sagen. Mein Wissen über amerikanische Popkultur ist weit größer. Es war verblüffend, dass ich so weit weg gehe und in eine Kultur komme, die mir so vertraut ist. Daher funktioniert es auch gut mit der Bildsprache.