Vorsicht, Mücken: an Oder, Elbe und Donau werden die stechenden Plagegeister den Menschen noch wochenlang zu schaffen machen. Bei Sonne und Wärme werden die überfluteten Gebiete zum wahren Mückenparadies.

Stuttgart - Das Wasser verschwindet, nun kommen die Mücken. Entlang von Donau und Elbe wachsen dieser Tage unzählige der Insekten heran, die auf den überfluteten Äckern und Wiesen hervorragende Brutstätten finden. Natürliche Feinde wie Fische gibt es dort kaum, obendrein soll es sommerlich warm bis heiß sein. „Das sind ideale Bedingungen für die Tiere“, sagt der Mückenspezialist Heinz Mehlhorn von der Universität Düsseldorf. In zwei bis drei Wochen, schätzt er, werde die Plage da sein.

 

Denn so lange dauert es, bis aus den jetzt abgelegten Eiern über mehrere Entwicklungsschritte schließlich flug- und stechfähige Tiere werden. „Bei kühlem Wetter kann das etwa 40 Tage dauern“, sagt Mehlhorn. Ist es warm, entsprechend kürzer. Das heißt, umso früher ist der Nachwuchs selbst in der Lage, sich fortzupflanzen, was über den gesamten Sommer gerechnet die Erfolgsquote der Vermehrung spürbar steigert. Um die 300 Eier kann ein Weibchen im Laufe eines Lebens legen, sagt der Mückenexperte. „Je nach Art sind es 20 bis 60 Eier am Stück – eine gewaltige Leistung.“

Woher wissen die Tiere, wo es trocken bleibt?

In den Hochwassergebieten sieht Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) nun ein doppeltes Mückenproblem: „Das viele Wasser und die Wärme nutzen natürlich den gewöhnlichen Hausmücken, den Culex pipines, die ohnehin fast überall vorkommen“, sagt die Biologin. Zudem würden sich jetzt aber auch „Überflutungsmücken“ massenhaft vermehren. Damit meint sie jene Arten, die ihre Eier bevorzugt in kleine Vertiefungen ablegen, die beispielsweise nach der Schneeschmelze mit Wasser gefüllt werden. Das Hochwasser habe die gleiche Wirkung, sagt Werner. „Allerdings sind diese Überflutungsmücken besonders aggressiv, die stechen sofort.“ Sie haben einfach keine Zeit für langes Schwirren. Um den Fortbestand ihrer Art zu sichern, müssen sie jede Chance zur Vermehrung nutzen. Und dafür brauchen sie Blut.

Für die Wissenschaftler sind Überflutungsmücken auch aus einem anderen Grund interessant. Sie fragen sich: Woher wissen die Tiere vor der Eiablage, was potenziell nasse Flächen sind und wo es trocken bleibt? „Sie haben eine Art Sensor für Feuchtigkeit“, sagt Doreen Werner. Wie dieser funktioniere, könne bislang keiner erklären. Erst langsam gewinne ihr Fachgebiet wieder Auftrieb, nachdem es jahrzehntelang vernachlässigt worden war. „Seit dem Verschwinden der Malaria Mitte des 20. Jahrhunderts gab es einen Einbruch“, sagt sie. „Das änderte sich erst, als 2006 der Erreger der Blauzungenkrankheit hierherkam.“ Das Virus kann Rindern und Schafen gefährlich werden – und wird von Blut saugenden Insekten, den Gnitzen, übertragen. Diese gehören per Definition nicht zu den Stechmücken, doch sei durch den Ausbruch klar geworden, welche Gefahr von Insekten ausgehen könne, so Werner.

Immerhin: Die Gefahr von Krankheiten ist nicht sehr groß

Mittlerweile arbeiten Forscher des Zalf in Müncheberg sowie des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tiergesundheit gemeinsam an einem Insektenatlas, der klären soll, wo in Deutschland welche Stechmückenart vorkommt, welche Krank- heitserreger die Arten übertragen können und ob die Tiere bereits befallen sind.

Für die Flutgebiete, denen jetzt eine Insektenplage bevorsteht, gibt es einen Lichtblick: Die Gefahr von Krankheiten, die durch Mücken übertragen werden, sei vermutlich geringer als üblich, sagt der FLI-Forscher Helge Kampen. „Die Viren sind ja nicht per se in den Insekten drin, die müssen sich selbst infizieren, bevor sie zur Gefahr werden.“ Doch Wirtstiere wie Nager dürften durch die Flut dezimiert worden sein, was das Infektionsrisiko senkt.