Kultur: Tim Schleider (schl)

Joachim Winterscheidt und Klaas Heuer-Umlauf sind allerdings insofern schon eine TV-Entertainer-Generation weiter als ihr Vorbild Stefan Raab, als sie keine Scheu haben, sich vor der Kamera auch der totalen Lächerlichkeit preiszugeben. So etwas gehörte eigentlich nie zum Programm des Entertainers Raab; Selbstironie ist ihm weitgehend fremd. Gerade seine Show „Schlag den Raab“ machte dies immer wieder deutlich: Im stundenlangen körperlich-geistigen Wettkampf mit einem Herausforderer aus dem Publikum wäre er nie auf die Idee gekommen, freiwillig einen Punkt abzugeben. Sein immenser Wille, den Abend zu gewinnen, ist ihm jederzeit im Gesicht abzulesen. Diese Show war ihm richtig ernst. Und womöglich ist es just dieses Quantum Ernst, was Raabs Wettkämpfe tatsächlich spannend machte, während die Spirenzchen von Joko und Klaas immer ein wenig beliebig bleiben.

 

Und dann war da noch etwas, was Stefan Raab in seiner bis zu diesem Samstag knapp 30-jährigen TV-Karriere immer sehr ernsthaft betrieb: die Musik. Mit seinem alljährlichen „Bundesvision Song Contest“ hat er ein Forum für junge deutsche Popmusik geschaffen, das auch ARD oder ZDF zieren würde. Und 2010 bescherte ausgerechnet er als Mann der Privaten dem öffentlich-rechtlichen Ersten mit der unter seiner Regie entdeckten Lena Meyer-Landrut jenen Erfolg beim Eurovision Song Contest, den es vermutlich die nächsten zwei, drei Jahrzehnte so schnell nicht wiedergeben wird.

Da hatte er einfach das richtige Näschen, den treffsicheren Instinkt gehabt. So wie ihm dann prompt gleich darauf jedweder Instinkt verloren ging. Lena im folgenden Jahr gleich wieder für Deutschland beim ESC antreten zu lassen, war eine typische Raab-Idee. Sie ging daneben. Mit guten wie mit schlechten Ideen hat das TV-Total-Tier Stefan Raab jedenfalls sich bekannt und seinem Sender Pro Sieben einen Namen gemacht. „Du hattest immer einen Sinn für das perfekte Timing“, sagte ihm Geschäftsführer Wolfgang Link am Mittwoch zum Abschied. „Du gehst auf dem Höhepunkt.“ Tja, Pro Sieben: nun ist guter Rat teuer.