Während die Mietpreise auf Rekordhöhen steigen, steuern die Kommunen bislang kaum dagegen. Investoren sollen nicht abgeschreckt werden. Dabei stehen allein in Böblingen 500 Interessenten auf der Warteliste für bezahlbaren Wohnraum.

Böblingen - Die Bewohner des Landkreises Böblingen sind stolz, dass sie auf vielen Gebieten zu den Spitzenreitern gehören: dass es kaum Regionen mit mehr Industrieunternehmen oder einer höheren Zuwanderung gibt etwa. Doch das führt auch zu unerwünschten Superlativen: Die Mietpreise steigen auf Rekordhöhen. Laut einer Studie des Hamburger Marktforschungsunternehmens F&B sind die Wohnungsmieten in Böblingen inzwischen höher als in Düsseldorf – bei Neuvermietungen liegen sie bei neun Euro je Quadratmeter. Auch Leonberg und Sindelfingen sind laut der F&B-Studie unter den Top 50 der deutschen Städte. Darunter leiden alle, deren Einkommen nicht mit der Mietexplosion Schritt hält – Großfamilien, Alleinerziehende, Arbeitslose oder Flüchtlinge.

 

Mehr Einfluss auf dem Mietmarkt

In vielen Kommunen wächst deshalb der Druck, etwas zu ändern. Beispielsweise in Herrenberg, wo die Mietpreise inzwischen bei fast acht Euro je Quadratmeter liegen. Im Gemeinderat haben Freie Wähler, die Grünen und die Frauenliste beantragt, mehr gegen die Wohnungsnot zu unternehmen. Denn die Einflussmöglichkeiten der Stadt sinken zunehmend: Nur bei gerade mal acht – ja, acht – Wohnungen hat Herrenberg ein sogenanntes Belegrecht. Das heißt, die Stadt zahlt privaten Eigentümern Geld und darf im Gegenzug sozial Bedürftige als Mieter bestimmen.

Wie Herrenberg künftig wieder einen größeren Einfluss auf den Mietmarkt erhalten könnte, will die Verwaltung Anfang Dezember mit Experten und Gemeinderäten diskutieren. „Frühere Förderprogramme zielten häufig darauf ab, Bauträgern günstige Zinsen zu gewähren und sie im Gegenzug auf sozialen Wohnungsbau zu verpflichten“, erklärt der Herrenberger Oberbürgermeister Thomas Sprißler. „Wegen der aktuell niedrigen Zinsen sind solche Förderprogramme für Bauträger aber momentan nicht attraktiv genug.“ Deshalb wird in Herrenberg die Gründung einer Wohnbaugesellschaft erwogen – das wäre allerdings ein Schritt „mit sehr weitreichenden Konsequenzen“, betont Sprißler.

Die Landeshauptstadt, wo hohe Mieten lange schon ein Problem sind, geht seit drei Jahren einen eigenen Weg: Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) schreibt vor, dass Bauträger bei größeren Projekten 20 Prozent der Fläche für geförderten Wohnraum zur Verfügung stellen müssen.

Auflagen könnten Investoren abschrecken

Im Kreis Böblingen setzt bislang keine Kommune ein solches Modell um. Im Böblinger Rathaus wurde SIM geprüft und verworfen: Die Auflagen könnten Investoren abschrecken, befürchtete man. Stattdessen soll die Böblinger Baugesellschaft (BBG) mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Mindestens zehn zusätzliche Unterkünfte soll das kommunale Unternehmen jährlich bauen. Dafür verzichtet die Stadt auf eine Rendite. Auf der Warteliste der BBG stehen allerdings 500 Interessenten.

Ganz andere Dimensionen als die Pläne der BBG hat der Wohnungsbau auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen. Mehr als 640 Wohnungen wurden dort in den vergangenen Jahren gebaut, bis 2016 sollen knapp 540 weitere dazukommen. Durch die gute Verkehrsanbindung und den hohen Freizeitwert ist der Standort bei Käufern und Mietern beliebt.

Der soziale Wohnungsbau hat auf dem Flugfeld allerdings keine Rolle gespielt. Es gibt kein einziges Beispiel dafür, dass die Stadt Böblingen – auf deren Gemarkung sich die Grundstücke mit Wohnbebauung befinden – den Bauträgern die Auflage gemacht hätte, Sozialwohnungen zu bauen oder den Mietpreis zu begrenzen.